Sonntag, 22. Juli 2012

Winterrüstzeit in San Sebastián




Vom 15. bis zum 17. Juli war ich auf meiner ersten Jugendrüstzeit. Aus Santiago kamen wenigstens 5 Jugendliche, aus der Gemeinde in Valparíso und Viña kamen noch ungefähr 11 dazu. Der Pfarrer aus Valparaíso und Viña Rudy Olivera, Miguel Núñez, Theologiestudent und sein Praktikant und ich hatten die Freizeit organisiert. Wir wollten den Jugendlichen Geschmack aufs Bibellesen machen, ein paar Hinweise zur Entstehung der Bibel und Tipps zum Lesen in die Hand geben. Zuerst war ich ein bisschen besorgt, wie wohl alles klappen wird und ich hatte Bedenken, dass ich mich nicht intensiv genug vorbereitet hatte, aber Rudy und Miguel haben mich Gelassenheit gelehrt. Die Jugendlichen waren sehr gut drauf, motiviert und immer hilfsbereit. Wir haben viel gesungen und ich konnte ne Menge christliche Lieder auf Spanisch lernen und die Begleitung mit der Gitarre üben. Wir haben den ersten Abend ein schönes Mahl in Anlehnung an das Passahfest gehalten, den zweiten Abend haben wir ein ausgiebiges Abendmahl gefeiert. Neben in In-puts und Gruppenarbeiten gab es noch ein Wer-wird-Millionärspiel mit Details aus der Bibel, einen Strandspaziergang und den Ratespielklassiker „Wer-bin-ich?“ mit natürlich: Personen aus der Bibel. Ich konnte von meinen Kollegen sehr viel didaktische Umsetzung lernen. Vor allem wie viel Wissen und welches Wissen und auf welche Weise es vermittelt werden kann und sollte.
Die Rüstzeit fand in einem sehr schönen kleinen Freizeitheim der Kirche am Meer statt. Die Kirche will dies aber verkaufen, weil es kaum genutzt wird und der Ort, wo es liegt, San Sebastián, angeblich nicht so schön ist.
Nach dieser Erfahrung freue ich mich schon sehr auf das Sommerlager im Januar, dann im Süden am Llanquihuesee in Puerto Fonck.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Die Erlassung eines Gesetzes


In einem kleinen Land, in einer kleinen Kirche zuarbeiten, kann dazu führen, dass man außergewöhnliche Einladungen erhält. Vielleicht wurde es in deutschen Nachrichten berichtet, ich hatte es schon einmal in einem Blogartikel erwähnt: Die chilenische Regierung hat ein Gesetz verabschiedet, was sich gegen diskriminierende Handlungen richtet. Sehr lange wurde darüber diskutiert, ob auch die Diskriminierung wegen sexueller Orientierung miteinbezogen wird. Nach einem langen Diskussionsprozess entschied man sich dafür. Ausschlaggebend war vor allem Tod einen homosexuellen Jugendlichen gewesen. Er war aufgrund seiner sexuellen Orientierung von Nazis brutal misshandelt wurden.
Letzte Woche, am 12.07.2012 fand die Erlassung des Gesetzes statt. Weil das Gesetz auch die verschiedenen Religionsgruppen betrifft, erhielt auch mein Mentor als Vertreter der lutherischen Kirche eine Einladung in den Präsidentenpalast. Er hatte allerdings keine Zeit und auch meine Kollegen nicht, also bin ich hingegangen. Obwohl ich mich vorher angemeldet hatte, konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass man  mich überhaupt in das Gebäude lässt. Aber ich stand, welch Wunder, tatsächlich auf der Gästeliste und fand auch den Saal, in dem die Veranstaltung statt finden sollte. In den Vorraum tretend erblickte ich den Kollegen und Präsidenten der anderen lutherischen Kirche (IELCH), welcher sich im letzten Jahr sehr engagiert hatte. Er machte mich gleich noch mit Vertretern anderer Gruppen bekannt. Ist schon mal ganz interessant, wenn man Menschen, die man sonst nur im Fernsehen sieht, auf einmal gegenüber steht oder nur ein paar Meter entfernt sieht. Der Präsident Chiles, Sebastián Piñera hielt noch eine Rede, welche natürlich auch Werbung für seine Regierung war.
Ich hoffe sehr, dass das Gesetz mehr Bewusstsein unter den chilenischen Bürgern schafft und Augen für die Welt des Anderen geöffnet werden, damit Unterschiede zum Nächsten als Bereicherung geschätzt werden, anstatt dass sie zur Ausgrenzung anstacheln.
Auch hoffe ich, dass das Gesetz nicht instrumentalisiert wird. Dies würde die Meinung der Kritiker bestätigen, die behaupten, dass nicht Betroffene Diskriminierungsfälle fingieren könnten. Ich bin gespannt, ob und wie das Gesetz im Zusammenleben hier in Chile wirken kann.

Der Blog geht weiter... und Bericht


Ich habe den kleinen Blog eine Weile vernachlässigt. Entweder lag das daran, dass vor und jetzt in der Ferienzeit wenig los war, so dass es nichts zu berichten gab oder es liegt jetzt daran, dass ich auf einmal doch recht viel zu tun habe. Es gibt mehrere Sachen zu berichten und die Blogs werden folgen!!!
Ich füge hier auch meinen ersten Bericht über das Vikariat ein. Darin gebe ich einen Überblick über die Bereiche, in denen ich mich bewege und bis jetzt Erfahrungen sammeln konnte. Einiges vom Bericht habe ich schon in den anderen Artikeln erwähnt.
 
Ein anderes Land, eine andere Kultur, andere Umgangsweise, eine andere Sprache, neue Aufgaben und Arbeitsweisen erwarteten mich mit dem Entschluss, zwei Jahre lang die pastorale Arbeit in einer lutherischen Kirchgemeinde in Santiago de Chile und in anderen Gemeinden kennenzulernen und mit zu gestalten.
Nun sind die ersten Monate des Einlebens, Einrichtens und Kennenlernens vergangen. Der heiße Sommer ist längst vorüber und feuchtes Wetter bestimmt die Tage. Ich konnte mir einen ersten Überblick über die Aktivitäten der Gemeinde, die Aufgaben, denen sich die Pfarrer ins Santiago widmen und der Situation der Lutheraner in Chile verschaffen.
Zum einen nehme ich an Treffen der Gesamtkirche und an Treffen mit der Schwesternkirche Evangelisch-Lutherische Kirche in Chile (IELCH) teil. Zum anderen besuche ich die verschiedenen Kreise und Gruppen der lutherischen Gemeinde in Santiago, hospitiere die Arbeit der Pfarrer und übernehme Aufgaben in und am Rand der Gemeinde.
Betreut werde ich vom Bischof der Lutherischen Kirche Chiles (ILCH) Siegfried Sander. Ich treffe mich mit ihm einmal in der Woche und bespreche alle meine Tätigkeiten und Erfahrungen als Vikarin in und außerhalb der Gemeinde. Wir reflektieren intensiv realisierte Aufgaben, planen Aktivitäten und tauschen uns über die Situation der Gemeinde, der Gemeindeglieder, der Politik, die chilenische Gesellschaft und die deutsch-chilenische Kultur aus. Themen bei diesen Gesprächen sind auch die Zukunft und die Vision der kleinen lutherischen Kirche und die Zusammenarbeit mit der Schwesternkirche IELCH.
Die ILCH hatte sich 1975 von der IELCH abgespalten. Die Mehrheit der Gemeindeglieder hatte deutsche Vorfahren und den Putsch 1973 und die Militärdiktatur eher begrüßt.
Darum hat die ILCH noch immer einen hohen Anteil an Gemeindemitgliedern, die deutschstämmig sind und der ökonomisch besser gestellten Schicht in Chile angehören. Besonders die ältere Generation spricht noch viel Deutsch. Doch in den letzten dreißig Jahren hat die Verständigung in der Landessprache Spanisch deutlich zugenommen. Auch die Herkunft der Gemeindemitglieder ist besonders in Santiago heterogener geworden. So finden in der Erlösergemeinde in Santiago zwar noch immer einmal in der Woche Gottesdienste in deutscher Sprache statt, aber die Mehrheit auf Spanisch. Dementsprechend kommen auch sehr unterschiedliche Gruppen in die angebotenen Gottesdienste. Zur Gemeinde gehören zwei Kirchgebäude. Die Gottesdienstbesucher haben zumeist ihr Stammgebäude und wechseln selten zwischen den Orten. Eine der Herausforderungen der Gemeinde ist die Integration der verschiedenen Gruppen und Interessen. Neben meinem Mentor Bischof Sander betreuen noch zwei weitere Pfarrer die Gemeinde, der Chilene Esteban Alfaro und der Schweizer Kurt Gysel, der auch noch Veranstaltungen auf Deutsch hält. Es ist ein großer Vorteil, dass mehrere Pfarrer in der Gemeinde arbeiten, so kann ich verschiedene Stile kennen lernen und viele Ideen sammeln.

Zu meinen wöchentlichen Aufgaben gehört die Jugendarbeit. Ich betreue die Treffen der Jugendgruppe und habe auf Anregung der älteren Jugendlichen eine Gruppe für junge Erwachsene gegründet, in der wir gemeinsam Bibeltexte lesen und besprechen. Die Jugendlichen trafen sich bisher jeden Samstag in Eigenverantwortung. Ich bin nun verantwortlich dafür, dass die Treffen regelmäßig stattfinden, die Themen gehalten und die Aktivitäten organisiert werden. Auch versuche ich die Gruppe in der Gemeinde bekannter zu machen, durch Ansagen im Gottesdienst und Erstellung von Flyern mit dem Programm etc. Einige der Themenabende habe ich gehalten. Die Themen für dieses Semester hatten die Jugendlichen selbst herausgesucht. Meistens stellt einer das Thema mit ein paar Fakten und Thesen vor und im Anschluss daran entwickelt sich eine Diskussion. Nicht immer fällt es mir leicht dem ganzen Diskussionsverlauf auf Spanisch zu verfolgen. Sehr gut finde ich es, dass bei den Diskussionen allein von den Jugendlichen verschiedene Sichtweisen und Argumente zu den Themen genannt werden. Bei den ethischen Themen (z.B. Homosexualität, Abtreibung, Umgang mit Massenmedien) wurde herausgestellt, wie schwierig es ist ein Urteil zu fällen. Außerdem haben wir einen Jugendgottesdienst zum Thema „Gottes Gegenwart in guten und in schlechten Zeiten“ vorbereitet und gehalten. Wir hatten den Gottesdienst bewusst anders gestaltet mit Kerzen, Anspiel, Agapemahl, anderer Musik, aber uns auch an traditionelle Elemente des Gottesdienstes angelehnt. Überrascht hat mich, dass auch einige ältere Gemeindemitglieder aus Neugier gekommen waren und sich sehr wohl gefühlt haben. Leider kommen nur wenige Jugendliche konstant zu den Veranstaltungen. Viele fühlen sich durch die Aufgaben in Schule und Universität sehr ausgelastet. Die große Hoffnung der Gruppe ist aber, dass sie dennoch wächst, wenn regelmäßig etwas stattfindet. Der Bibellesekreis ist auch noch recht klein, bereitet mir aber sehr viel Freude. Wir haben mit der Urgeschichte angefangen und nehmen uns so viel Zeit, wie wir brauchen. Mein Ziel ist es vor allem aufzuzeigen, wie viele verschiedene Themen und Interpretationsmöglichkeiten hinter den Texten stecken und dass die Texte uns jedes Mal neu begegnen. Dabei lasse ich auch Erkenntnisse der historisch-kritischen Exegese einfließen.
Im Juli wird es eine kurze Rüstzeit mit Jugendlichen aus der lutherischen Gemeinde geben, welche nicht weit weg von Santiago am Meer liegt. Der Pfarrer dieser Gemeinde und ich werden mit den Jugendlichen über das Thema: „Das Wort Gottes – heute in unserem Leben“ nachdenken. Wir wollen Informationen zum Verständnis und der Interpretation der biblischen Texte geben, aber auch Umgangsmethoden einüben. Ich bin sehr gespannt auf die Tage und hoffe, dass ich in didaktischer und organisatorischer Hinsicht dazulernen kann.
Jeder der Pfarrer hat eigene Konfirmandengruppen. Ich begleite meinen Mentor bei seiner Konfirmandenarbeit und vertrete ihn. Dadurch bekomme ich vor Augen geführt, wie man Konfirmandenunterricht gestalten und planen kann. Ich finde es sehr gut, dass  es hier üblich ist, den Konfirmandenunterricht in der neunten und zehnten Klasse zu besuchen. Die Jugendlichen sind recht aufmerksam, ruhiger und konzentrierter. Es ist eine große Herausforderung, die inhaltlichen Themen mit der Lebenswelt der Jugendlichen zu verbinden. Auch habe ich schon bei dem Konfirmandenunterricht meines chilenischen Kollegen hospitiert und ihn vertreten und konnte dadurch einen anderen Stil kennenlernen.
Sehr viel Freude bereitet mir auch die Hospitation eines Einführungskurses in die „lutherische Welt“ welchen ebenfalls mein Mentor hält. Neugierige und Interessierte aus der katholischen, aber auch evangelisch-freikirchlichen Kirchen kommen hier zusammen, um sich mit den Eigenschaften der lutherischen Kirche in Chile und der lutherischen Theologie vertraut zu machen. Die Erwachsenen haben viele Fragen und ein großes Interesse an den einzelnen Themen. Oftmals entsteht ein anregendes Gespräch. Auch in dieser Gruppe habe ich schon einige Einheiten übernommen. Das Interesse und die Auffassungsfähigkeit gehen soweit, dass ich beim letzten Treffen einige Grundgedanken protestantischer Theologen des 19. – 21. Jahrhunderts vorgestellt habe. Ich sehe das auch als die Möglichkeit mich im Spanischen auszudrücken und komplexere Sachverhalte in dieser Sprache zu verstehen und zu vermitteln. Der Kurs ermöglicht eine stärkere Integrierung der Spanisch sprechenden Gottesdienstbesucher und Menschen, die aufgrund ihres Interesses an der lutherischen Kirche die Gottesdienste besuchen.
Wenn es zeitlich klappt versuche ich Kontakt zu einer anderen kleinen selbständigen Gruppe zu halten. In dieser Gruppe treffen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft, um sich mit verschiedenen theologischen Themen auseinanderzusetzen.
Auch den Frauenkreis in deutscher Sprache besuche ich regelmäßig und begleite die Frauenrunde bei der Lektüre der Psalmen.
Die Kontakte zu diesen Gruppen sind für mich sehr wichtig, damit ich die einzelnen Gemeindemitglieder, ihre Situation, Interessen und Bedürfnisse besser kennenlernen kann und allmählich einen Überblick über die Gottesdienstteilnehmer bekomme. Daneben bietet die Mitarbeit in den Gruppen auch die Gelegenheit didaktische Erfahrungen zu machen. Leider habe ich noch nicht viel Material und Texte angesammelt und muss jede Einheit, die ich halte mit größerem Zeitaufwand vorbereiten. Vor allem die Suche nach den spanischen Begriffen und Übersetzungen nehmen Zeit in Anspruch, beschleunigen aber die Erweiterung meines Vokabulars.
Gemeindemitglieder treten mit Bitten um seelsorgerliche Besuche an die Pfarrer heran, die auch ich, wenn nicht ein bestimmter Pfarrer bevorzugt wird, realisiere. Solche Besuche bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit sich. Bei dem Besuch einer kranken Frau und der sich kümmernden Tochter war es sehr spannend für mich, dass die Seelsorgesuchenden sehr deutlich ihre Bedürfnisse ausgedrückt haben und es mir dadurch erleichtert haben, mich angemessen zu verhalten. Wichtig war auch die Erfahrung, dass nicht immer Inhalte, die mit Worten vermittelt werden, ausschlaggebend sind, als viel mehr die eigene Anwesenheit. Ein anderes Mal spielen dagegen die Worte eine sehr wichtig Rolle und intensiveren oder blockieren das Gespräch. Themen bei dem Besuch war die Krankheit, Kontrolle über den eigenen Körper abgeben müssen, dem anderen in seiner Würde und seinen Bedürfnissen gerecht werden, die Situation am Lebensende.
Einmal im Monat halte ich Gottesdienste. Die Herausforderung besteht dabei, dass immer ein spanischer und ein deutscher Gottesdienst vorbereitet werden muss. Das erste Mal hatte ich die Liturgie vorbereitet und gehalten. Zweimal habe ich auf Spanisch gepredigt. Nicht in der eigenen Muttersprache zu predigen ist natürlich nicht einfach. Vor allem die Suche nach treffenden Begriffen und Umschreibungen kostet Zeit.
Ab dem nächsten Semester werde ich Beerdigungen halten. Die Gemeinde hat eine sehr hohe Anzahl an Beerdigungen. Mit Siegfried Sander und den anderen Kollegen habe ich mich schon über ihre Erfahrungen und die Liturgie ausgetauscht. Wenn es zeitlich möglich ist, nehme ich an den Beerdigungsgottesdiensten teil. Auch das Halten von Traugottesdiensten und Taufen wird hinzukommen.
Viele der lutherischen Pfarrer geben auch Religionsunterricht, zumeist an den Deutschen Schulen.[1] Ende Mai und Anfang Juni hatte ich Gelegenheit einen der Pfarrer in der siebten und achten Klasse im Religionsunterricht zu vertreten. Der Kontakt mit den Jugendlichen hat mir viel Spaß gemacht. Es war sehr interessant für mich zu beobachten, dass es mit den Schülern der achten Klasse schon möglich war Geschichten mit sehr abstrakten Inhalten wie Himmelfahrt und Pfingsten zu besprechen, während dies mit der siebten Klasse noch recht schwierig war. Auch war die siebte Klasse (freitags letzte Stunde) sehr unruhig. Ich habe überlegt, wie ich die weiteren Stunden gestaltet hätte. Ich hätte wohl praktischere Themen gewählt und Spiele gemacht oder mehr Schreibarbeiten.

Die Erlösergemeinde ist mit dem Friedrich-Karle-Altersheim verbunden. Ich nehme einmal im Monat an den Sitzungen des Vorstandes des Altersheims teil und erfahre so über die Situation und Probleme dort und lerne ein wenig, was alles zur guten Organisation solch einer Institution dazu gehört. Außerdem habe ich mir vorgenommen, mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen.
Auch zu einem anderen Altersheim (Manquehue), in welchen viele Gemeindemitglieder leben, möchte ich Kontakte knüpfen und regelmäßig Besuche machen. Dort habe ich schon öfters ein bis zwei Gemeindemitglieder besucht.  Die Kontakte zu den Altersheimen geben mir die Gelegenheit, Erfahrungen im seelsorgerlichen Bereich zu sammeln.
Die Gemeinde hat Verbindungen zur Albert-Schweitzer-Schule, einer Grundschule in einem sozial und finanziell sehr benachteiligen Sektor Santiagos, welche als Projekt der Erlösergemeinde begann. Ein Gemeindemitglied ist Koordinatorin dieser Schule. Ich habe die Schule bis jetzt zwei Mal besucht. Die Schule hat ein sehr klares Ziel: Sie will nicht nur eine Schule für Kinder und Jugendliche mit schwieriger ökonomischer Situation sein, sie versucht auch Schüler zu integrieren, die aufgrund von Verhaltensschwierigkeiten schon in mehreren Bildungseinrichtungen gescheitert sind und ermöglicht ihnen, dass sie wenigstens ihre Schulausbildung bis zur achten Klasse vollenden. (Solch eine Schule ist im chilenischen Bildungssystem, in dem gute und Spezialschulen sehr teuer sind, unheimlich wichtig.) Einige der Kinder wiederholen Schulklassen und holen den Stoff auf, den sie vorher verpasst haben. Viele Schüler kommen aus einem schwierigen Elternhaus. Abgesehen von finanziellen Schwierigkeiten, sind einige schon mit Kriminalität, Gewalt und Drogenabhängigkeit konfrontiert. In der Albert-Schweitzer-Schule versuchen die Mitarbeiter in den Kindern Respekt und Liebe gegenüber sich selbst und dem Nächsten zu stiften. Zudem gibt es für die Kinder psychologische Betreuung und Einzelunterricht. Die Anzahl der Schüler beträgt nicht mehr als 25 pro Klasse, obwohl es in Chile bis zu 40 Kinder sein dürfen. Ich habe mir vorgenommen, die Schule einmal im Monat zu besuchen, um Kontakte zu den Lehrern zu knüpfen und den Unterricht in den Klassen zu hospitieren. Ich denke, dass dies sehr wichtig ist, um die verschiedenen Realitäten Santiagos nicht aus den Augen zu verlieren. Vielleicht ergeben sich durch den Kontakt mit den Lehrern auch Gespräche mit seelsorgerlichem Aspekt. Durch die Hospitation in den Klassen kann ich in pädagogischer und didaktischer Hinsicht einiges lernen. Außerdem hat die Direktorin die Gemeinde um Hilfe gebeten, ein mögliches Konzept für den Religionsunterricht auszuarbeiten, den die Klassenlehrer der Schüler selbst halten. Im Vergleich mit deutschen Lehrplänen bin ich dabei, Ideen zu sammeln.
Des Weiteren nehme ich an Treffen der Gemeindeaufbauarbeit teil. Wir haben uns vorgenommen, uns regelmäßig mit den Helferinnen und Helfern bei den Kindergottesdiensten zu treffen, um sie zu begleiten und ihre Arbeit besser zu organisieren. Da die Gemeinde zwei Standorte hat, ist dies nicht einfach. Der Besuch der jungen Familien nimmt gerade an dem Standort zu, wo es keine Gruppe ehrenamtlicher Helfer gibt und der Kindergottesdienst nicht mehr als eine Art Betreuung der Kinder ist. Aber auch die Helfergruppe am anderen Standort ist recht klein, so dass die Mitarbeiter nie selbst einmal in den Gottesdienst gehen können. Wir überlegen, wie wir Familien dazu anregen können, sich im Kindergottesdienst einzubringen.
Außerdem möchte mein Mentor die Lektoren- und Prädikantenarbeit stärken. Vor allem im Süden des Landes ist das nötig, weil es dort an dem Standort Puerto Montt keinen Pfarrer gibt. Zu einem ersten Treffen mit Interessierten bin ich im Mai mit meinem Mentor in den Süden gefahren und wir haben mit den Teilnehmern die Liturgie und ihre Bedeutung durchgesprochen und gemeinsam einen Gottesdienst geplant. Die Teilnehmer wurden dazu angeregt, in Zukunft selbst mit Hilfe des Gesangbuches einen Lektorengottesdienst zu gestalten. Hierbei hatte ich die Gelegenheit vor einer etwas kleineren Gemeinde zum ersten Mal auf Spanisch zu predigen. In Zukunft soll es weitere solcher Treffen geben, um den Einsatz der Freiwilligen zu fördern. In Santiago gibt es Lektoren im Gottesdienst. Wir wollen uns auch mit dieser Gruppe treffen, um deren Einsatz zu begleiten und zu überlegen, wie die Lektoren noch stärker in den Gottesdienst eingebunden werden können.
Des Weiteren wird gerade eine Webseite für die Gesamtorganisation ILCH aufgebaut. Hierfür pflege ich Kontakt mit den „Technikern“ der Seite und habe mit ihnen Ideen gesammelt und schreibe einige Texte. Wenn das Gerüst der Seite steht, möchte ich mir zeigen lassen, wie man eine Webseite mit Texten und Dokumente füllt und erneuert.
Ein weiterer Aufgabenbereich der Gemeinde ist die Informationsarbeit. So gibt es etwa Anfragen von Schulen. Demnächst werde ich für eine Schulklasse eine kleine Kirchenführung halten und Charakteristisches zur lutherischen Kirche erzählen.

Um über die Situation der Gemeinde, der Gesamtkirche und des Verhältnisses zur IELCH informiert zu sein und Kontakte zu den einzelnen Personen zu knüpfen, besuche ich als Beobachterin die Treffen des Kirchenvorstandes, der Synode, die Treffen der Pfarrer und des Rates beider Kirchen (CILCH Consejo de las Iglesias Luteranas en Chile). Zwei Treffen der Pfarrer und zwei Treffen der Synode habe ich bis jetzt erlebt. Hauptthema ist derzeit der Kirchentag, welcher im Oktober stattfinden soll. Der Initiator hat sich viel vorgenommen. Ziel soll es sein, dass nicht nur zwei bis drei Personen aus jeder Gemeinde zusammenkommen, sondern das ungefähr 10% der Gemeindemitglieder aus jeder Gemeinde die Veranstaltungen und Workshops an einem Wochenende besuchen. Ich werde einen Workshop zum Erlernen von Taizéliedern mit Taizéandacht anbieten, sowie einen Workshop zur Auseinandersetzung mit Frauen in der Bibel. Im CILCH möchte man den Posten eines Generalsekretärs ins Leben rufen, der die Annäherung der Kirchen weiter vorantreiben soll. Auch will man nach außen einheitlicher auftreten und nur noch eine Person entweder aus IELCH oder ILCH bei Veranstaltungen im Ausland entsenden.
Darüber hinaus versuche ich die Kontaktmöglichkeiten mit der IELCH wahrzunehmen. Es gab im April einen Kirchentag, den ich besucht habe. Ein sehr engagierter Theologiestudent, Miguel Núñez, hat mit anderen Freiwilligen in der Kapelle meines ehemaligen Praktikumsortes, die Schule Belen O’Higgins in La Florida, wieder pastorale Arbeit mit Andachten und Gottesdiensten aufgenommen. Betreut werden diese Tätigkeiten von der IELCH. Vor kurzem bin ich mit ihm dort hingefahren, um mir die Arbeit anzuschauen, dabei haben wir auch eine ältere Dame aus seinem Frauenkreis besucht. Durch den Austausch mit ihm kann ich viele Ideen für die praktische Arbeit sammeln. In einem anderen Brennpunkt-Viertel Santiagos habe ich eine kleine Gemeinde zum Gottesdienst und zu einer gemeinsamen Mahlzeit besucht. Im Juli werde ich in der Gemeinde meines ehemaligen Praktikumsortes, in der Versöhnungsgemeinde, einen Gottesdienst in Vertretung halten.

Das Vikariat in Santiago gibt mir die Möglichkeit, sehr viele verschiedene Bereiche über den üblichen Pfarralltag hinaus kennenzulernen. Zum Teil ist es nicht einfach auszuwählen, was ich weiter verfolge und was nicht. Auch das Interesse der anderen Gemeinden an einem Besuch von mir und der Gestaltung eines Gottesdienstes ist groß. Ich habe die Aktivitäten im ersten Jahr breiter gestreut, um mit verschiedenen Menschen in Kontakt zu kommen und unterschiedliche Arbeitsbereiche kennenzulernen. Bei der Auswahl der Aktivitäten habe ich viel Freiheit. Wichtig ist es für mich, einen Überblick über die die Einsatzmöglichkeiten zu bekommen und diesen dann auch zu behalten. Gern möchte ich noch stärker Kontakt mit Studenten knüpfen und mich mit der Integrationsarbeit der verschiedenen Gemeindemitglieder auseinandersetzen.


[1] Bis jetzt ist dies für jeden Pfarrer möglich, wenn er sich von der Kirche ein Eignungszertifikat erstellen lässt. Ab 2014 soll das nur noch mit einem Pädagogikstudium möglich sein. Ich möchte gerne noch Pädagogik in einem zweijährigem Ergänzungsstudium studieren. Dadurch wäre ich angehalten die praktischen Erfahrungen stärker theoretisch zu reflektieren. Außerdem würde ich didaktische Hinweise erhalten, die stärker auf die pädagogischen Herausforderungen in Chile bezogen sind. Doch scheint es mir, dass kaum noch solche Studiengänge angeboten werden, weil die Lehrerlaubnis auch für Religionsunterricht dann anscheinend nur noch gegeben wird, wenn man ein volles Pädagogikstudium von mindestens 8 Semestern absolviert hat. Ich bin aber noch im Erkundungsprozess und noch nicht ganz sicher, wie die neuen Bedingungen sind.