Donnerstag, 16. August 2012

Altersheime, Gottesdienste, Gemeindeleben, Webseite und NO


Blick aus dem Fenster unserer Wohnung
Der Winter ist noch nicht vorbei. Bis jetzt war er sehr trocken. Nun hat es endlich einmal geregnet. In Chile gibt es den Spruch „Que pase el agosto!“ Dass doch der August vorüber geht. Erst dann wird es wirklich wieder wärmer. Auch meint man, dass, wen ein alter und kranker Mensch nicht im August stirbt, er noch lange leben wird.
Das zweite „Semester“ hat begonnen. Die Veranstaltungen in der Kirche finden wieder statt.
In den Altersheimen
Ich mache jetzt regelmäßig Besuche in zwei Altersheimen. In beiden wird sehr viel Deutsch gesprochen. Eine Dame, die ich besuche, beeindruckt mich sehr. Sie ist erst mit ca. 75 Jahren nach Chile gekommen, weil ihr einziger Sohn eine Chilenin geheiratet hat, ihr Mann aber schon vor langer Zeit gestorben ist. Sie war selbst sehr aktiv in der Kirche gewesen. Sie gibt mir immer Tipps, wen ich alles im Altersheim besuchen kann. Nach den Gesprächen versuche ich immer die Themen zu notieren. Da es mittlerweile einige (vor allem Damen) sind, die ich besuche, verliere ich doch langsam den Überblick, wer mir was erzählt und wie die Biografie ist.
 Eines der Altersheime ist offiziell  mit der Kirche verbunden. Dort mache ich gerade vertretungsweise einmal im Monat zweisprachige Gottesdienste. Normalerweise macht das Richard Wagner, ein Pfarrer in Rente. Er ist aber derzeit auf Deutschlandbesuch. Das ist für mich eine gute Übung vor kleinerem Publikum. Ich kann mir die Themen und Texte frei aussuchen.
Gottesdienste
In der Gemeinde habe ich einmal im Monat „Gottesdienstdienst“. Meistens muss ich immer zwei Gottesdienste halten. Einen auf Spanisch und einen auf Deutsch, manchmal sind es auch drei Gottesdienste. Für mich ist die Vorbereitung noch recht aufwendig. Meistens schreibe ich die Predigt auf Deutsch und übersetze sie dann. Es ist nicht ganz doppelte Arbeit, aber vielleicht die Hälfte der Vorbereitung von einem Gottesdienst. Im Spanischen bin ich oft nicht zufrieden, weil ich doch nur eingeschränkte „Ausdruckskapazitäten“ besitze. Wir benutzen hier die gleiche Perikopenordnung, wie die sie sich in der deutschen Agende vorfindet. Mich erwischen meistens die Paulustexte, so dass ich sehr zu „Erklärpredigten“ neige und die Einfühlung in die Situation von Paulus als Aufhänger nehme. Im Juli ging bei jedem Gottesdienst irgendetwas schief. Im ersten dt. war das Mikro zu leise und ich habe die Hinweise zum Aufstehen vergessen, ansonsten klappte es aber gut. Beim spanischen merkte ich, dass ich nicht ausreichend genug auf die Beherrschung der Texte vorbereitet hatte. So fit bin ich einfach noch nicht, dass ich aus der kalten heraus vom vorbereiteten Predigtablauf abkommen kann. Auch habe ich den Psalm zu schnell angesagt und den Gottesdienstbesuchern war nicht klar, wie der gelesen werden sollte. Im zweiten deutschen Gottesdienst hatte ich völlig vergessen, dass ich die Begrüßung erst nach dem ersten Lied machen wollte. Die Gottesdienste diese Woche liefen schon viel besser ab. Diesmal hatte ich meine spanische Predigt einmal vorher durchgelesen und verbessert. Allerdings habe ich beim deutschen Gottesdienst das Fürbittengebet und das Vater Unser vergessen. Aber da dies ein Abendgottesdienst ist, hat vielleicht annehmen können, dass ich dies mit Absicht getan habe, um den Gottesdienst zu verkürzen… Diese Woche habe ich mich zum ersten Mal getraut ein Lied mit der Gitarre zu begleiten und es hat ganz gut geklappt und kam auch gut an. Wie die Gottesdienste und Predigten allerdings im Allgemeinen ankommen erfahre ich sehr selten. Die Besucher bedanken sich meistens und verschwinden dann schnell. Das ist für mich ein bisschen seltsam. So erfahre ich nicht, was ich verbessern sollte und ob man meinen Gedanken gut folgen kann. Ich habe mir vorgenommen mal ein Predigtnachgespräch zu machen.
Mittlerweile wissen schon viele Gemeindemitglieder, wer ich bin. (Dank der Gottesdienste und einem Interview, was ich einer deutschsprachigen Zeit hier, dem „Condor“ geben musste.) Mir ist dann meistens nur das Gesicht vertraut, was dann immer etwas peinlich ist. Aber wenn ich den Mitgliedern nur nach dem Gottesdienst kurz ins Gesicht schauen kann, ist es schwierig, sie richtig kennenzulernen und sich zu merken, wer nun wer ist.
Aktivitäten der Gemeinde
Chile ist ja ein einziger Strand
Mein Junger-Erwachsener-Kreis mit Bibellektüre hat auch mit viel Energie angefangen. Der Kreis hat sich um einige Teilnehmer vergrößert. Wir sind jetzt bei Abraham angekommen und haben uns für dieses Semester die Erzelterngeschichten vorgenommen. Auch die Jugendgruppe hat eine Planung mit spannenden Themen aufgestellt.
Sehr interessant und hilfreich sind für mich auch die Treffen mit einer Gruppe, in der wir ein systematisch-theologisches Einführungsbuch von Theologen der evangelischen Fakultät in Buenos Aires lesen („Nuestra Fe“). Das Buch ist sehr gut und leicht lesbar geschrieben und ich bin jedes Mal bei der Vorbereitung begeistert. Die Herangehensweise der beiden Theologen ist sehr nachvollziehbar für mich. Außerdem kann ich mein theologisches Vokabular erweitern und neue Ausdrucksmöglichkeiten entdecken.
In der Gemeinde trifft sich ein ökumenischer Gospelchor. Sie hatten im Juli einen Gottesdienst ausgestaltet. Da habe ich Feuer gefangen. Ich vermisse die Singerei sowieso ein bisschen. Am Montag war die erste Probe. Man kommt schnell in die Lieder rein. Die Mitsänger sind sehr offen und freundlich, recht international. Es geht in dem Chor vor allem darum jeden integrieren und Freude am Singen zu haben, ohne irgendwelchen Leistungsdruck. (Haha, da habe ich gleich zum Besten gegeben, dass man mich in Dresden mal aus einem Gospelchor rausgeworfen hatte, weil ich zu schlecht war…Ich denke, es lag eher daran, dass ich mich auch nicht 100% wohl gefühlt hatte, integriert wurde und dem entsprechend kein Selbstbewusstsein hatte.) Ich weiß aber nicht, ob ich, wenn sie dann im November jede Woche proben immer hingehen kann.
Webseite der ILCH
Neben dem Besuch und der Mitarbeit in den einzelnen Gruppen habe ich ein Webseitenprojekt für die Gesamtkirche begonnen. Ein Gemeindemitglied und Theologiestudent Miguel kümmern sich um die technische Dinge und Gestaltung. Ich habe davon ja nicht wirklich viel Ahnung und quäle mich auch ein bisschen durch. Aber immerhin habe ich gelernt, wie man so eine Seite aktualisieren kann. Ich koordiniere, dass Texte verfasst werden und habe auch selber Texte geschrieben, Bilder zusammen gesucht. Nun ist die Seite schon sichtbar, aber es fehlen noch ein paar Inhalte. Da die Server manchmal nicht so flott sind, kann man mit so einer Webseitenaktualisierung sehr viel Zeit verplempern. Leider haben auch nur wenige der Gemeinden Inhalte geschickt, um die Seite noch attraktiver zu machen. Hier der Link: www.iglesialuterana.cl
Was sonst noch passiert
Santi im Schnee
Ich und meine Computer haben eine seltsame Beziehung. Der Bildschirm ist mittlerweile an einigen Stellen matsch, aber zum Glück noch ca. zu dreiviertel der Fläche benutzbar. Passiert ist das Ganze vermutlich bei der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Anscheinend war ich dem Busfahrer zu langsam in den schon recht vollen Bus eingestiegen, so dass er die Tür schloss und mein Rücksack noch halb draußen hing. Ich fuhr dann eine Station den Rucksack außerhalb der Tür haltend. Nun überlege ich, was ich mache. Für fast die Hälfte des Preises eines neuen Computers, ähnliches, aber nach jetzigem Standart besseres Modell, könnte ich den Bildschirm erneuern. Mein Bedenken ist natürlich, dass sich mein Computer dann nach der Erneuerung dennoch bald aus irgendeinem anderen Grunde verabschiedet. Diese Erfahrung habe ich schon einmal gemacht.
Leo arbeitet bei einer staatlichen Bank, wo die Mitarbeiter an ihrem Geburtstag frei haben. Das haben wir am 20. Juli ausgenutzt und sind ins „Cajon de Maipo“, ins Flussbett oder Tal des Maipo gefahren. Ganz weit oben in den Bergen lag dann auch noch dicker Schnee, den man ja sonst nur weit weg auf den Bergen sehen kann, wenn es mal geregnet hat.
Letzte Woche war ich in einem spannenden chilenischen Kinofilm („NO“) über die Entstehung eines Kampagnefilmes gegen die Verlängerung der Regierung Pinochets im Jahre 1988. Vor der Volksabstimmung konnten beide Seiten Werbefilme 15minütige Werbefilme senden. Sehr interessant ist es, dass die No-Kampagne mit Erkenntnissen der Werbeforschung arbeitete und auf ein fröhliche, bunte, positive und Stimmung machende Atmosphäre setzte. Der Trailer auf Spanisch: http://www.youtube.com/watch?v=L43ZTdVozLQ Ich vermute ganz stark, der Film auch in deutschen Programmkinos zu sehen sein wird.