Montag, 31. Dezember 2012

Die letzten Tage im Jahr





Eigentlich sollte es ein Weihnachtsgruss werden und die Andersartigkeit der chilenischen Advents- und Weihnachtszeit schildern, doch nun sind die Weihnachtstage, wenn auch nicht die Weihnachtszeit schon wieder vorbei und die Chilenen fiebern den letzten Stunden im Jahr entgegen. 
die gefuellten Tomaten
Die Freude und der Lobgesang der Hirten
Weihnachten habe ich gut verbracht in Gesellschaft meiner Eltern, die uns gerade in Chile besuchen, mit Leos Mutter, Leos Sohn Santi und Leo. Ich habe mich gefreut, dass Leos Mutter zum ersten Mal Heiligabend ausserhalb ihres Hauses verbracht hatte, dadurch konnten wir alle gemeinsam feiern.  Ich konnte leider nicht Heilig Abend in San Antonio sein, weil ich einen deutschen Abendgottesdienst hatte. Leider trennte uns die Sprache von einem gemeinsam erlebten Gottesdienst, da meine Eltern kaum Spanisch koennen und Leos Mutter kein Deutsch. Dennoch haben wir den Abend sehr schoen verbracht, mit Truthahn und traditionell chilenischen gefuellten Tomaten, Gespraechen und Geschenken. Es ist schon etwas aussergewoehnliches und eine grosse Ehre, wenn man mit den Eltern und Schwiegermutter feiern darf. So ist mir die Weihnachtsbotschaft noch einmal naeher gekommen. Gott teilt mit uns, gibt sich in unsere Situation hinein, so teilen auch wir weiter und nehmen uns Zeit fuer einander, lernen einander kennen versuchen einander, ueber Laender, Kulturen und Sprache hinweg zu verstehen.
der Strand
Lustigerweise war das Wetter sehr kuehl und frisch. Wir dachten, dass es noch regnen wird.
Ich war ganz froh, dass mein Gottesdienst ohne Probleme ueber die Buehne gegangen gegangen ist. Leider war es kein Krippenspiel, sondern nur eine Darstellung mit Gegenstaenden  und klassischen Liedern und kindgerechten Erklaerungen geworden. Es hatten sich einfach zu wenig deutschsprachige Kinder gemeldet. Am 25. sind wir dann nach San Antonio gefahren und haben Leos Mutter wieder in ihre heimischen Gefilde gebracht und mit Leos Geschwistern Weihnachten gefeiert
Gestern hatte ich noch drei Gottesdienste zum Jahresende und nun laufen schon die letzten Stunden des Jahresendes ab. Den Tag haben wir entlang der Kueste verbracht und nun sind wir wieder in San Antonio, wo wir den Jahreswechsel mit Leos Familie begehen werden. Schon drudeln die Familienangehoehrigen ein (Leo hat 4 Geschwister und 8 Nichten und Neffen), so dass ich mich fuer dieses Jahr verabschiede.
nebenbei waren wir noch im Cajon de Maipo wandern
Ich wuensche allen ein gesundes, gesegnetes und mit schoenen Ueberraschungen reiches Jahr. 
Eure Hanna

Montag, 3. Dezember 2012

Erster Advent und Volkstrauertag




Während ihr euch es in Deutschland gemütlich macht mit Räuchermännchen (ich muss an meine liebe Mitbewohnerin Anni denken), Nussknacker, Herrnhuter Stern, Plätzchen, Adventskranz, Kerzen und Adventsliedern fange ich an in meinem Talar zu schwitzen und wippe zu fröhlicher Gospelmusik hin und her.
Alle Jahre wieder kommt die Adventszeit schneller als der Kopf es will, aber Herz und Seele brauchen sie.
Ich hatte am Sonntag die Ehre die Gemeinde zum Warten und zum Erwarten der Menschwerdung Gottes einzuladen. Und dabei hatte ich das besondere Glück, dass der ökumenische und nun sogar schon internationale Chor Santiago Gospel, welcher in den Räumen der Gemeinde regelmäßig probt, mich dabei begleitet hat oder besser, dass ich ihn begleiten durfte. Als ich in der Vorbereitung über Gospelmusik nachdachte und mir anhörte fiel mir auf, wie viele Parallelen sie zu Advent und dem vorgeschlagenen Predigttext für den ersten Advent, dem Lobgesang des Zacharias hat.
Die Menschen, welche den Gospel erfanden, waren genau wie Zacharias nicht frei und sie sehnten sich nach besseren Lebensbedingungen. Mit all ihren Sorgen und Nöten wandten sie sich an Gott, um ihm zu bitten, zu loben, aber auch um ihm zu danken und zu hoffen, wie es Zacharias tat. Der Gesang ließ ihre Probleme eine zeitlang vergessen, der Gesang erleichterte ihr Leben. Er gab ihnen Geduld auf ein besseres Leben zu warten. Inne zu halten, sich an Gott zu wenden hilft auch uns und gibt uns Geduld zu warten. Und natürlich, wenn wir dazu diese ansteckende Musik hören dürfen, ist es noch leichter. So ging es mir jedenfalls. Unbewusst habe ich bei fast jedem Lied mitgesungen.
Und sogar ein bisschen deutsche Adventsstimmung ist bei mir aufgekommen. Mein Mentor stellte den Adventskranz auf das Taufbecken mitten in die Kirche, mir wurde Tannengrün geschenkt und mit der Gemeinde konnte ich „Macht hoch die Tür die Tor macht“ weit singen.
 
Schon vor zwei Wochen durfte ich bei einem besonderen Gottesdienst mitwirken. Am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr feiern die deutschsprachigen Gemeinden in Santiago (katholisch St. Michael; Versöhnungsgemeinde – IELCH und die meine Gemeinde, die Erlösergemeinde) jedes Jahr einen gemeinsamen Gottesdienst anlässlich des Volkstrauertages. Der Pater der deutschsprachigen katholischen Gemeinde Bruno Romahn predigte, der deutsche Botschafter hielt eine Rede, der Chor „Frohsinn“ sang, ich war für die Organisation und die Liturgie zuständig. Bruno Romahn hat die Zeit des zweiten Weltkrieges miterlebt und ist schon über 80 Jahre alt. Ich fand seine Botschaft sehr spannend. Er fragte die Gemeinde, wie es eigentlich um den Kameraden, den wie heute an unserer Seite haben, steht. Wie gehen wir mit unserem Nächsten um? Was könnten die Weltkriege uns dafür gelehrt haben?
Nach dem Gottesdienst meinte der neue deutsche Botschafter Hans-Henning Blomeyer-Bartenstein, dass wir uns bestimmt einmal sehen würden, weil er evangelisch sei. Das fand ich sehr nett.

Montag, 19. November 2012

Besuche in Temuco und Valdivia







Schon wieder bin ich in den Süden gefahren. Diesmal ging es nach Temuco und Valdivia. Wenn man nach Temuco fährt, ist die Fahrtzeit fast ein bisschen zu kurz, um ganz gemütlich genug zu schlafen, um dann ausgeruht anzukommen.
Frauentreffen
Anlass meiner Fahrt nach Temuco war das Treffen der Frauengruppen der ILCH in der dortigen lutherischen Gemeinde. Die Gruppen nennen sich ADELMA. Dieses Wort steht für „Avancemos de la mano del Señor“ – Kommen wir voran/schreiten wir vorwärts/bewegen wir uns vorwärts durch die Hand des Herren. Die Frauengruppen widmen sich verschiedenen Aufgaben innerhalb ihrer Gemeinde. Sehr interessant ist zum Beispiel die Arbeit der Adelma-Gruppe aus Valdivia, die zum Teil dem Kindergarten und Jugendtreffpunkt „Hogar Luterano“ in einem Armenviertel Valdivias dient.
Kirche in Temuco
Das Gruppentreffen stand dieses Jahr unter einem sehr wichtigen Thema: „Brücken der Liebe bauen zwischen den unterschiedlichen Generationen unserer Kirche“. Neben Zeit zum Austausch und gemeinsamen Mahlzeiten gab es Vorträge zu diesem Thema. Ein Vortrag zeichnete verschieden Wege auf, wie diese Brücken gebaut werden können. Ein zweiter gab Denkanstöße zum vierten Gebot, welches uns dazu auffordert unsere Eltern zu ehren. Im vierten Gebot drücken sich wunderbar Pflicht und Nutzen der gegenseitigen Verantwortung der jüngeren und der älteren Generation aus Ich fand besonders spannend, dass auch darauf hingewiesen wurde, wie schwer es ist dieses Gebot zu erfüllen, wenn Eltern sich nicht um ihre Kinder gekümmert haben, sie gar misshandeln und nicht Verantwortung für sie übernommen haben. Eine Realität die nicht ignoriert werden darf. Wie schwer ist es dem anderem mit Liebe zu begegnen, wenn Liebe nie erfahren wurde.
Kirche in Valdivia
Mir fiel auch auf, wie sehr die Verständigung zwischen Jung und Alt durch gegenseitige Vorurteile eingeschränkt wird. Dies war schon immer eine Herausforderung, wie es Sokrates Aussage über die Jugend zeigt: „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte…“ Und gerade darum ist es so wichtig immer wieder Brücken zu bauen und aufeinander zu gehen. Die Älteren bringen den Jüngeren Erfahrung und die Jüngeren sind die Zukunft.
Mich die Präsidentin von ADELMA gebeten die Taizéandachten vorzustellen. Ich sah dies auch als ein Medium, was jung und alt gefallen und einander näher bringen könnte. Es wurde mit Begeisterung gesungen.
Liebevolle Bastelarbeiten für den Hogar
Nach dem Treffen fuhr ich noch am gleichen Abend nach Valdivia bzw. nach Paillaco, wo ich auf eine große Farm (Ich kann schon nicht mehr von Bauernhof sprechen, das wäre viel zu klein und niedlich ausgedrückt.) zur Übernachtung eingeladen wurde. Am nächsten Tag, hielt ich in der lutherischen Gemeinde in Valdivia den deutschen Gottesdienst. Dies hatte ich schon lange mit meinem Kollegen Eldor Hamann aus Valdivia vereinbart. Nun setzten wir das Vorhaben endlich in die Tat um. Leider gab es in Valdivia Stromausfall, so dass ich mir sehr viel Mühe mit dem Laut-Reden geben musste, aber bei den meisten Besuchern kamen meine Worte doch recht verständlich an. Den Tag durfte ich dann noch nach chilenischer Sitte bei einem Asado im Pfarrhausgarten verbringen. Da hatte ich die Gelegenheit einige Gemeindemitglieder und eine Freiwillige vom Gustav-Adolf-Werk näher kennenzulernen, welche unter anderem im Hogar Luterano arbeitet. Eldor hatte außerdem einen Deutschen eingeladen, den er im Supermarkt kennengelernt hatte und der gerade in Valdivia war, weil er den Einbau Schiffsantrieben überwachen musste. Das macht er sonst vor allem eher im arabischen Raum oder in China und darum erzählte uns spannende Geschichten über seine Erfahrungen dort. Gekrönt wurde der Tag dann noch mit einer kurzen Fahrt nach Niebla, an die Küste, wo sich die Flüsse Valdivias mit dem Meer vereinigen.
Niebla, als ich 2008 schon mal dort war
Nun ist diese Reise schon wieder über eine Woche her und es gäbe anderes zu berichten. Davon bald ein anderes mal.

Sonntag, 4. November 2012

schmales Chile




Meinen Blog habe ich „leben-im-langen-land“ genannt. Das tat ich, weil die Wörter eine hübsche (fast-)Alliteration ergeben. Ich hätte ihn auch leben-im-schmalen-landen nennen können. Denn ja Chile ist so schmal, dass Berge und Meer nah beieinander liegen. Da am Donnerstag (Allerheiligen) und am Freitag (Reformationstag verschoben) Feiertage waren, haben wir Zeit gehabt, um die Schmalheit Chiles auszunutzen. Für mich ist die landschaftliche Vielfalt immer wieder aufs Neue unfassbar.
Santiago liegt ja zwischen Anden- und Küstenkordillere. Schon seit längerem habe ich mich gefragt, ob es in den Bergen Wanderwege gibt. Und tatsächlich man braucht mit dem Auto nur ein paar Minuten Richtung Berge fahren und schon stößt man auf verschiedene Parks mit Wanderwegen. Man hat einen schönen Blick auf Santiago. Durch einen der Parks führt ein Fluss und es gibt verschiedene Raststätten. Wenn man die Pfade in den Bergen hinaufkraxelt, glaubt man gar nicht, dass man in Chile ist. Bisher haben nur wenige das Wandern in den Bergen für sich entdeckt und man kann die Natur in Ruhe genießen und Vöglein zwitschern hören. Die Massen zieht es dagegen an langen Wochenenden an die Küste. Auch wir dachten: nutzen wir doch mal die kurze Distanz zum Meer und fuhren einen Tag in die Küstenstädte Valparaíso und Viña del Mar. Dort war es recht voll und als wir uns an den Strand setzen wollten, mussten wir sehr weit fahren, bis wir eine Parkgelegenheit fanden, die auch nicht weit weg von einem Strand war. Die Fahrerei hatte sich dennoch gelohnt, auch wenn wir am Ende gar nicht so lange am Strand saßen, denn es gibt nichts Schöneres als einmal wieder Kleckerburgen zu bauen, im Sand zu hocken und die Füße im Meer zu baden.

Montag, 29. Oktober 2012

Bürgermeister- und Kommunalwahlen in Chile




Wahlwerbung und schöne Berge
Schon viele Wochen haben die riesigen Schilder darauf hingewiesen. Am Sonntag den 28. Oktober war es dann endlich soweit. Es gab Kommunal-  und Bürgermeisterwahlen. Zum ersten Mal war es den Chilenen freigestellt, ob sie von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden oder nicht. Ich war ein bisschen schockiert. Wie kann man denn jemanden zwingen wählen zu gehen? Nicht für einen Kandidaten zu stimmen ist doch auch eine Art von Ausdruck der eigenen Meinung.
Bisher war es in Chile so gewesen, dass man sich wenn man wählen wollte in das Wahlregister eintragen musste. Wer nicht drin war konnte und brauchte natürlich auch nicht wählen gehen. Wer aber einmal drin stand war verpflichtet und musste bei Nicht-Abgabe der Stimme eine Strafe zahlen. Als das chilenische Volk 1989 aufgefordert war für oder gegen eine weitere Periode de Regierung unter Pinochet zu stimmen, hatten sich natürlich viele ins Wahlregister einschreiben lassen, um dafür oder dagegen zu stimmen.
Seid dieser Wahl ist jeder Wahlberechtigte in Chile im Wahlregister registriert.
Nun war der Aufschrei nicht gerade klein, weil nicht mehr als 43,1% der 13.404.084  Wahlberechtigten (so meine Quelle aus der Internetseite der Tageszeitung „LA TERCERA“) gestern zu den Wahltischen und Kabinen gingen. Mir scheint noch nicht ganz klar zu sein, ob dieser Prozentsatz seine Richtigkeit hat, weil auch schon längst Verstorbene, wie etwa der Expräsident Salvador Allende im Wahlregister auftauchten.
Nun kann man hin- und herüberlegen, warum der Prozentsatz so niedrig war. Sind die, die vorher nicht im Register waren, wie gewöhnlich nicht zur Wahl gegangen? Haben die, die sonst immer gezwungen wurden, ihr neues Recht genutzt und sind mal nicht hingegangen? Hat die Regierung zu wenig Werbung gemacht? Haben sich die Wähler nicht um die Kandidaten bemüht? (An riesigen Schildern auf der Straße, Hubkonzerte, Fahnen, Aufklebern und Werbung hat es meiner Meinung nicht gemangelt……) Wurden die Wähler nicht richtig darüber informiert, wie und wo sie wählen müssen? (Obwohl ich nicht Wahlberechtigte bin, wusste ich, dass man alle Infos auf einer Internetseite finden kann…Ich wusste sogar, dass man mit seinem abgelaufenen Personalausweis wählen gehen kann.) Ich fand es schon interessant, dass hier in Chile, nicht wie in Deutschland jeder Wahlberechtigte eine Wahlkarte mit Einladung und allen Infos zugesandt bekommt, sondern die Infos nur im Internet durch seine Ausweisnummer findet. Der Bürger muss sich also selbst bewegen…
Spannend waren auch die Fernsehübertragungen. Dort erfuhr ich, dass die Verantwortlichen in den Wahllokalen oder besser „Wahltischen“ einfach unter den Wahlberechtigten festgelegt werden. Und da kann es jeden treffen, auch berühmte Leute, wie etwa den Komiker Rodrigo Salinas, besser bekannt als „Ratoncito“ (Rättchen), der ganz verzweifelt versuchte die Mitbürger, welche an seinem Tisch wählen mussten, dazu zu überreden sich doch noch aufzuraffen. 

Die Wahlen wurden auch zu anderen Formen von Meinungsfreiheit genutzt. Vor dem Stadion, in welchem zu Beginn der Militärdiktatur viele Menschen umkamen, gab es eine Art Flashmob: Menschen in Kleidung der Siebziger und Achtziger Jahre knieten stumm, die Hände im Nacken auf dem Boden. Die Aktion war vermutlich ganz bewusst interpretationsoffen. Die Aktivisten äußerten sich nicht. Dass es sich um ein menschenrechtliches Thema handelte war natürlich offensichtlich. Auch auf eher unschöne Art wurde Unmut geäußert. Als der noch amtierende Bürgermeister des florierenden Stadtteils Providencia, Christian Labbé, auf dem Weg zum Wahltisch war, wurde ihm zugerufen Mörder zu sein, er wurde zu dem verbal angegriffen und es kam zu verschiedenen Rangeleien. Christian Labbé war Agent der chilenischen Geheimpolizei (DINA) gewesen. Die DINA war von Augusto Pinochet eingerichtet wurden und 1973 bis 1977 das Organ der Geheimpolizei. Sie ermöglichte die Diktatur und viele Menschenrechtsverletzungen. Als feststand, dass Christian Labbé seiner Herausforderin unterlegen war, meinte er, dass der Hass gesiegt hatte. Dies ist, denke ich nur ein Beispiel, wie komplex der Konflikt zwischen politsch links und rechts in Chile ist.

Eine Neuheit war es für mich als Leo meinte, dass es einen Unterschied macht, ob man gar nicht erst zur Wahl geht oder ob man den Wahlbogen durch falsches Vorgehen oder Bildchen annulliert, für mich war das immer das Gleiche: eine verlorene Stimme, aber vermutlich macht es in der Wahlbeteiligung einen Unterschied.
Nun will vielleicht noch einer wissen, wie die Wahlen nun ausgingen: Dafür hatten die jeweiligen Parteichefs der bedeutenden Parteien ihre eigene Interpretation. Mir fiel schon auf, dass nicht wenige Kandidaten aus eher linken Oppositionensparteien die Wahlen gewinnen konnten. Interessant ist es auf alle Fälle, dass es in zwei Kommunen Santiagos, die auch im Fokus der Wahlen waren, im Zentrum und wie schon genannt in Providencia (Da wo eines der Kirchgebäude meiner Gemeinde sehr günstig gelegen ist.) einen Wechsel gegeben hat. In beiden Kommunen waren bisher Männer von der rechten Regierungspartei UDI (Union Democrata Independiente) Bürgermeister gewesen. Nun wird dort die nächsten vier Jahre je eine Bürgermeisterin aus Oppositionsparteien die Geschicke in die Hand nehmen.

Freitag, 19. Oktober 2012

Pfarrkonvent und Kirchentag



Kirche von Osorno
Ich bin vor einer Woche Donnerstag mal wieder in den Süden gefahren. Es ist schon ganz praktisch. Abends setzt man sich in den Bus, schläft sofort ein (ich zumindest) und am nächsten Tag wacht man 1000 km südlich von Santiago wieder auf. Diesmal ging meine Reise nach Osorno, einer Stadt in einer Landwirtschaftregion. Außer Santiago ist sie die einzige Stadt, wo es Gemeinden von ILCH und IELCH gibt. Zunächst fand dort das Treffen aller Pfarrer der ILCH statt. Ich hatte erst kurz vor meiner Ankunft in die Einladung des Bischofs geschaut und festgestellt, dass ich eine Andacht halten sollte. Ich habe dann meine Kollegen zu ein paar Taizéliedern animiert und eine sehr kurze spontane Reflexion zu Psalm 91 gemacht. Ich denke, es tut den Pfarrern sehr gut, wenn sie sich ab und an mal zu Gesicht bekommen und austauschen. Probleme können direkt besprochen werden, Beobachtungen bestätigt werden und man stärkt sich gegenseitig.
Nun gibt es auch einen neuen Kollegen, der sich vorgestellt hatte. Er ist aus der Bayrischen Landeskirche von Mission Eine Welt für ein halbes Jahr entsandt wurden. Er wird sich um die Gemeinde in Puerto Montt kümmern.
Wir hatten die Gelegenheit die erste Hälfte eines Dokumentarfilmes über die IELCH und ILCH anzusehen, der gerade gedreht wird. Dort wird die Geschichte der lutherischen Kirchen in Chile dargestellt und ihre Situation heute geschildert, mit Zeitzeugen und lebendigen Eindrücken. Ich bin sehr gespannt, wann der Film fertig sein wird. Ich denke er kann auch zur Annäherung beider Kirchen und zum Verständnis überhaupt dieser Kirchen beitragen.

Auswahl der Bibelfigur
Am letztes Wochenende fand dann der Kirchentag in Osorno statt. Bisher war der Kirchentag immer nur ein Treffen von wenigen Vertretern der Gemeinden gewesen. Zu meist nur eine Veranstaltung, die den ganzen Tag stattfand. Dieses Jahr fand er zum ersten mal zwei Tage statt mit einem für die kleine Kirche reichen Angebot von Vorträgen, Workshops, Andachten, Chor- und Bandkonzerte, Anfangs- und Abschlussgottesdiensten, Veranstaltungen für Jung und Alt. Die zwei Tage standen unter dem Motto „Alma bendice al Senior“ – „Lobe den Herrn meine Seele“ nach Psalm 103 und dem bekannten Lied „Lobe den Herren den himmlischen König der Ehren“. Viele Veranstaltungen hatten etwas mit Musik zu tun, das Jahr 2012 der Lutherdekade unter Motto Reformation und Musik steht. So gab es einen Gitarrelernworkshop, ein Liederlernworkshop, Konzerte, der Bischof predigte über die Schätze und die Veränderung des christlichen Liedgutes, ich habe eine Taizéandacht angeboten… Ich war überrascht, dass diese auch unter den älteren Teilnehmern auf Begeisterung stoß. Meine Kollegen hatten mich auch gebeten etwas zum Thema Frauen in der Bibel zu machen. Ich mich dann entschieden ein paar interessante Frauenfiguren auszuwählen. Die Teilnehmer wurden dazu aufgefordert sich an Hand durch Bilder und kurze Sätze zu den Frauen eine Figur auszuwählen. Dann sollten sie entsprechende Bibelstellen alleine oder in der Gruppe zu lesen und sich an Hand von Fragen mit den Frauen und ihrer Situation auseinandersetzen. Vorgestellt wurde dies in kreativer Form, durch einen Brief, einen Dialog oder ein Interview oder eine Reflexion. Für viele Teilnehmer war dies überraschend, wurde aber mit Begeisterung aufgenommen, auch die Diskussionen in den Gruppen waren sehr lebendig.
Treffen der Jugendlichen
In Zuge der Vorbereitung des Kirchentages hatte es bedenken gegeben, ob auch wirklich alles umgesetzt werden kann, wie es mit dem Essen und den Unterkünften klappt und ob auch genug Gemeinden ihre Gemeindemitglieder motivieren können. Doch im Nachhinein war die Veranstaltung ein großer Erfolg. Es waren mehr als 200 Menschen da, was für ILCH und die riesigen Entfernungen zu einigen Gemeinden eine große Anzahl ist. Die Unterkunft in der dt. Schule war gemütlicher als erwartet. Die für die Organisation der Veranstaltungen Verantwortlichen waren in allen Dingen hilfsbereit und haben mir jede Bitte erfüllt. Es gab sogar wunderschöne lila-gelbe Schals, wie man auf Fotos erkennen kann.
Vielleicht hätte man noch mehr Menschen aus anderen Kirchen oder aus der Stadt einladen können.

Für mich war der Kirchentag eine weitere Gelegenheit die ILCH und ihre Gemeindemitglieder besser kennen zulernen und Kontakte zu knüpfen. Ich habe mir vorgenommen wegen der Jugendarbeit mehr Kontakt zu den Gemeinden im Süden zu halten, weil ja viele der Jugendlichen zum Studium in die Hauptstadt ziehen. Es nicht leicht diese zu motivieren, weiter in Kirche aktiv zu sein. Das Leben als Student in Santiago ist eben, ein ganz anderes als Schüler in der dt. Schule in einer kleinen Stadt zu sein, wo man in der Gemeinde mit seinen Freunden zusammen ist.
die Teilnehmer
Außerdem habe ich endlich Kontakt zur Frauenarbeit geknüpft und werde am 10. November zu einem Treffen aller Frauengruppen in Temuco fahren. Dort soll ich die Andachten aus Taizé noch einmal vorstellen. 
(Die Fotos sind nicht von mir, sondern von David Gysel, einem Fotografen und Sohn einer der Pfarrer.)

Dienstag, 25. September 2012

Krankenhausseelsorge in Chile



Am Montag hatte ich wieder einmal mit der „ONAR“ dem Nationalen Büro für religiöse Angelegenheiten zu tun.
Die Krankenhausbesuche aller Geistlichen und Freiwilligen aus religiösen Gemeinschaften wurden und werden neu geregelt. Bisher konnte jeder Patient einfach so besucht werden. Die katholischen Geistlichen hatten damit bisher kaum Probleme, sie wurden fast immer zu den Patienten gelassen. Doch  Freikirchlern und Pfingstlern wurde der Weg zu den kranken Gemeindemitgliedern oft versperrt.
Nun vergibt die ONAR von der Regierung aus für jeden Geistlichen und Freiwilligen aus den verschiedenen religiösen Gemeinschaften Ausweise, welche zum Besuch berechtigen. Zum Patienten wird man aber nach dem neuen Gesetz über die Rechte und Pflichten des Patienten nur gelassen, wenn dieser den Wunsch nach dem Besuch des Geistlichen oder eines Geistlichen seiner religiösen Herkunft ausgedrückt hat. Bei Eingang in das Krankenhaus wird die religiöse Identität erfasst.

Um diesen Ausweis zu erhalten, muss mein einen kleinen informativen Einführungskurs besuchen. Dieser hat mich nachdenklich gestimmt.
Aus der Sicht meiner Erfahrungen mit Krankenhausseelsorge in Deutschland halte ich den Besuch allein auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten für problematisch.
2007 hatte ich ein Seminar zur Krankenhausseelsorge gemacht und dabei jede Woche Patienten des Diakonissenkrankenhaus` in Leipzig besucht, die zumeist nicht nach einem Besuch gebeten hatten. Meine Erfahrung war gewesen, dass nur wenig Patienten sich einen seelsorgerlichen Besuch einfordern. Wenn ihnen aber ein Gespräch angeboten wird, nehmen sie dies oftmals dankbar an. Oftmals merken die Patienten im Gespräch, wie gut die Zuwendung, das Ohr eines Fremden tut. Überhaupt denke ich, dass ein Krankenbesuch zum meist bei der Initiative und des Angebots des Besuchers liegt. Wir hören vom kranken Freund und es selbstverständlich, dass wir nach dem Rechten schauen und unsere Begleitung und Unterstützung anbieten. Der Patient braucht Zuwendung. Und nicht immer kann er sie ausdrücken oder traut sich diese auszudrücken oder kommt auf die Idee sie auszudrücken. Die Initiative zum Krankenbesuch ist zudem eine der stärksten Ausdrucksformen christlicher Nächstenliebe, welche die Gottesliebe an den anderen vermittelt.

Doch die Situation in Chile ist recht komplex. Chile ist offiziell ein laizistischer Staat. Die Tradition, dass sich kirchliche Vertreter, wie Krankenhausseelsorger in den Krankenhäusern frei bewegen dürfen gibt es anscheinend nicht. (Darüber werde ich noch mal nachforschen…) Vermutlich war die Krankenhausseelsorge bisher eher von den Katholiken bestimmt. Doch mit dem Wachsen der evangelischen Kirchen ist es zu einer Konkurrenzsituation gekommen, die geregelt werden muss. Ich vermute, dass man vermeiden will, dass die Krankenhäuser als Missionsfelder genutzt werden.
Und gut, wenn ich als Geistlicher von der Krankheit eines Gemeindemitglieds erfahre, kann ich den Wunsch nach einem Besuch auch durch die Angehörigen erfragen oder kann mich in den Besuchzeiten vorstellen.

Der Kurs war nicht schlecht. Man erhielt gute Tipps zum Thema Hygiene und Vermeidung von Infektionen. Man wurde auf die spezielle Situation eines Besuches im Krankenhaus sensibilisiert und auf bestimmte Regeln aufmerksam gemacht. Außerdem wurde das oben erwähnte neue Gesetz erklärt und geschildert, wie man nun versucht das Gesetz umzusetzen.

Ich denke der Ausweis ist eine gute, wenn auch natürlich sehr bürokratische Erfindung, aber er schafft Gleichheit und hoffentlich auch mehr Sicherheit.
Ich bin gespannt, wann ich meinen ersten Krankenhausbesuch haben werde.

Donnerstag, 13. September 2012

Der weiß-rot-blaue September





Nun weht die chilenische Fahne auch vor meinem Haus. Seit dem ersten September sind sie immer mehr an den Gebäuden zu sehen. Jetzt hat fast jedes Gebäude eine Fahne. (Das war zur Zeit der Militärregierung sogar Pflicht.) Die Supermärkte füllen sich ebenfalls mit Fahnen, Girlanden und Schmuck in weiß-rot-blau, außerdem werden Grillutensilien, Wein, Chicha und Empanadas feilgeboten, alle andere Geschäfte und Institutionen schwelgen ebenfalls in weiß-rot-blau… Das „Dieciocho-fieber“ ist ausgebrochen. Wer einmal im September in Chile gelebt hat, weiß ganz genau was das heißt. Die Woche um den 18. und 19. September herum liegt das ganze Land lahm, um zu feiern. Der gute chilenische Wein wird genossen, chilenische Köstlichkeiten wie Empanadas werden verzehrt, es wird zu Hauf gegrillt, aber auch das Tanzbein geschwungen, vor allem die Nationaltänze Cueca und Cumbia. Die Kinder haben in den Schulen Auftritte, man geht auf eine Fonda oder Ramada um sich zu vergnügen. Der Frühling beginnt, das Wetter wird wärmer, es weht ein angenehmer wird und man lässt Drachen steigen. Dabei wird natürlich auch einiges an Geld ausgegeben, aber dafür bekonnt man auch einen Dieciochobonus.
Oft fahren die Chilenen weg, um die zwei freien Tage auszunutzen. Dieses Jahr kann das eine ganze Woche werden, weil der 17 auch offiziell frei ist und viele sich dann den 20. und 21. auch noch freinehmen. Die Staus aus Santiago heraus, werden bestimmt Kilomeeeeeeeeeeeeeeeeeeeterlang werden. Übernachtungsmöglichkeiten sind oftmals schon frühzeitig ausgebucht. In der Gemeinde fallen viele Veranstaltungen aus (Aber natürlich nicht die Gottesdienste, am 23. 09. bin ich wieder dran und habe meine erste Taufe.)
Am 18. September 1810 wurde Chile unabhängig und als eigenes Land gegründet. Der 19. September ist der Militärparade gewidmet.
Ich bin mal gespannt ob ich noch ins Dieciochofieber gerate. Vermutlich werden wir Leos Mutter in San Antonio besuchen. Vielleicht auch eine oder andere Veranstaltung hier in Santiago.
Mich fasziniert es unheimlich, wie sich einem Land alle zur gleichen Zeit auf das gleiche konzentrieren, das gleiche erleben, erfahren und machen. In Deutschland kann man so etwas schwer finden. Vielleicht ist es ein bisschen mit der Fussball-WM vergleichbar oder wenn Massenbewegungen entstehen, auch Weihnachten kommt da noch ein bisschen ran. Ich finde es schön, dass hier die Menschen etwas haben, was sie gemeinsam teilen und sie vereint. Für ein paar Tage lassen sie es sich gut gehen und vergessen den Alltag. Feiern zu können, ausgelassen sein ist, glaube ich, auch eine Ausdrucksform der Dankbarkeit für das, was man im Leben geschenkt bekommen hat.
Felices fiestas, feliz 18!!!!!!!!

Donnerstag, 16. August 2012

Altersheime, Gottesdienste, Gemeindeleben, Webseite und NO


Blick aus dem Fenster unserer Wohnung
Der Winter ist noch nicht vorbei. Bis jetzt war er sehr trocken. Nun hat es endlich einmal geregnet. In Chile gibt es den Spruch „Que pase el agosto!“ Dass doch der August vorüber geht. Erst dann wird es wirklich wieder wärmer. Auch meint man, dass, wen ein alter und kranker Mensch nicht im August stirbt, er noch lange leben wird.
Das zweite „Semester“ hat begonnen. Die Veranstaltungen in der Kirche finden wieder statt.
In den Altersheimen
Ich mache jetzt regelmäßig Besuche in zwei Altersheimen. In beiden wird sehr viel Deutsch gesprochen. Eine Dame, die ich besuche, beeindruckt mich sehr. Sie ist erst mit ca. 75 Jahren nach Chile gekommen, weil ihr einziger Sohn eine Chilenin geheiratet hat, ihr Mann aber schon vor langer Zeit gestorben ist. Sie war selbst sehr aktiv in der Kirche gewesen. Sie gibt mir immer Tipps, wen ich alles im Altersheim besuchen kann. Nach den Gesprächen versuche ich immer die Themen zu notieren. Da es mittlerweile einige (vor allem Damen) sind, die ich besuche, verliere ich doch langsam den Überblick, wer mir was erzählt und wie die Biografie ist.
 Eines der Altersheime ist offiziell  mit der Kirche verbunden. Dort mache ich gerade vertretungsweise einmal im Monat zweisprachige Gottesdienste. Normalerweise macht das Richard Wagner, ein Pfarrer in Rente. Er ist aber derzeit auf Deutschlandbesuch. Das ist für mich eine gute Übung vor kleinerem Publikum. Ich kann mir die Themen und Texte frei aussuchen.
Gottesdienste
In der Gemeinde habe ich einmal im Monat „Gottesdienstdienst“. Meistens muss ich immer zwei Gottesdienste halten. Einen auf Spanisch und einen auf Deutsch, manchmal sind es auch drei Gottesdienste. Für mich ist die Vorbereitung noch recht aufwendig. Meistens schreibe ich die Predigt auf Deutsch und übersetze sie dann. Es ist nicht ganz doppelte Arbeit, aber vielleicht die Hälfte der Vorbereitung von einem Gottesdienst. Im Spanischen bin ich oft nicht zufrieden, weil ich doch nur eingeschränkte „Ausdruckskapazitäten“ besitze. Wir benutzen hier die gleiche Perikopenordnung, wie die sie sich in der deutschen Agende vorfindet. Mich erwischen meistens die Paulustexte, so dass ich sehr zu „Erklärpredigten“ neige und die Einfühlung in die Situation von Paulus als Aufhänger nehme. Im Juli ging bei jedem Gottesdienst irgendetwas schief. Im ersten dt. war das Mikro zu leise und ich habe die Hinweise zum Aufstehen vergessen, ansonsten klappte es aber gut. Beim spanischen merkte ich, dass ich nicht ausreichend genug auf die Beherrschung der Texte vorbereitet hatte. So fit bin ich einfach noch nicht, dass ich aus der kalten heraus vom vorbereiteten Predigtablauf abkommen kann. Auch habe ich den Psalm zu schnell angesagt und den Gottesdienstbesuchern war nicht klar, wie der gelesen werden sollte. Im zweiten deutschen Gottesdienst hatte ich völlig vergessen, dass ich die Begrüßung erst nach dem ersten Lied machen wollte. Die Gottesdienste diese Woche liefen schon viel besser ab. Diesmal hatte ich meine spanische Predigt einmal vorher durchgelesen und verbessert. Allerdings habe ich beim deutschen Gottesdienst das Fürbittengebet und das Vater Unser vergessen. Aber da dies ein Abendgottesdienst ist, hat vielleicht annehmen können, dass ich dies mit Absicht getan habe, um den Gottesdienst zu verkürzen… Diese Woche habe ich mich zum ersten Mal getraut ein Lied mit der Gitarre zu begleiten und es hat ganz gut geklappt und kam auch gut an. Wie die Gottesdienste und Predigten allerdings im Allgemeinen ankommen erfahre ich sehr selten. Die Besucher bedanken sich meistens und verschwinden dann schnell. Das ist für mich ein bisschen seltsam. So erfahre ich nicht, was ich verbessern sollte und ob man meinen Gedanken gut folgen kann. Ich habe mir vorgenommen mal ein Predigtnachgespräch zu machen.
Mittlerweile wissen schon viele Gemeindemitglieder, wer ich bin. (Dank der Gottesdienste und einem Interview, was ich einer deutschsprachigen Zeit hier, dem „Condor“ geben musste.) Mir ist dann meistens nur das Gesicht vertraut, was dann immer etwas peinlich ist. Aber wenn ich den Mitgliedern nur nach dem Gottesdienst kurz ins Gesicht schauen kann, ist es schwierig, sie richtig kennenzulernen und sich zu merken, wer nun wer ist.
Aktivitäten der Gemeinde
Chile ist ja ein einziger Strand
Mein Junger-Erwachsener-Kreis mit Bibellektüre hat auch mit viel Energie angefangen. Der Kreis hat sich um einige Teilnehmer vergrößert. Wir sind jetzt bei Abraham angekommen und haben uns für dieses Semester die Erzelterngeschichten vorgenommen. Auch die Jugendgruppe hat eine Planung mit spannenden Themen aufgestellt.
Sehr interessant und hilfreich sind für mich auch die Treffen mit einer Gruppe, in der wir ein systematisch-theologisches Einführungsbuch von Theologen der evangelischen Fakultät in Buenos Aires lesen („Nuestra Fe“). Das Buch ist sehr gut und leicht lesbar geschrieben und ich bin jedes Mal bei der Vorbereitung begeistert. Die Herangehensweise der beiden Theologen ist sehr nachvollziehbar für mich. Außerdem kann ich mein theologisches Vokabular erweitern und neue Ausdrucksmöglichkeiten entdecken.
In der Gemeinde trifft sich ein ökumenischer Gospelchor. Sie hatten im Juli einen Gottesdienst ausgestaltet. Da habe ich Feuer gefangen. Ich vermisse die Singerei sowieso ein bisschen. Am Montag war die erste Probe. Man kommt schnell in die Lieder rein. Die Mitsänger sind sehr offen und freundlich, recht international. Es geht in dem Chor vor allem darum jeden integrieren und Freude am Singen zu haben, ohne irgendwelchen Leistungsdruck. (Haha, da habe ich gleich zum Besten gegeben, dass man mich in Dresden mal aus einem Gospelchor rausgeworfen hatte, weil ich zu schlecht war…Ich denke, es lag eher daran, dass ich mich auch nicht 100% wohl gefühlt hatte, integriert wurde und dem entsprechend kein Selbstbewusstsein hatte.) Ich weiß aber nicht, ob ich, wenn sie dann im November jede Woche proben immer hingehen kann.
Webseite der ILCH
Neben dem Besuch und der Mitarbeit in den einzelnen Gruppen habe ich ein Webseitenprojekt für die Gesamtkirche begonnen. Ein Gemeindemitglied und Theologiestudent Miguel kümmern sich um die technische Dinge und Gestaltung. Ich habe davon ja nicht wirklich viel Ahnung und quäle mich auch ein bisschen durch. Aber immerhin habe ich gelernt, wie man so eine Seite aktualisieren kann. Ich koordiniere, dass Texte verfasst werden und habe auch selber Texte geschrieben, Bilder zusammen gesucht. Nun ist die Seite schon sichtbar, aber es fehlen noch ein paar Inhalte. Da die Server manchmal nicht so flott sind, kann man mit so einer Webseitenaktualisierung sehr viel Zeit verplempern. Leider haben auch nur wenige der Gemeinden Inhalte geschickt, um die Seite noch attraktiver zu machen. Hier der Link: www.iglesialuterana.cl
Was sonst noch passiert
Santi im Schnee
Ich und meine Computer haben eine seltsame Beziehung. Der Bildschirm ist mittlerweile an einigen Stellen matsch, aber zum Glück noch ca. zu dreiviertel der Fläche benutzbar. Passiert ist das Ganze vermutlich bei der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Anscheinend war ich dem Busfahrer zu langsam in den schon recht vollen Bus eingestiegen, so dass er die Tür schloss und mein Rücksack noch halb draußen hing. Ich fuhr dann eine Station den Rucksack außerhalb der Tür haltend. Nun überlege ich, was ich mache. Für fast die Hälfte des Preises eines neuen Computers, ähnliches, aber nach jetzigem Standart besseres Modell, könnte ich den Bildschirm erneuern. Mein Bedenken ist natürlich, dass sich mein Computer dann nach der Erneuerung dennoch bald aus irgendeinem anderen Grunde verabschiedet. Diese Erfahrung habe ich schon einmal gemacht.
Leo arbeitet bei einer staatlichen Bank, wo die Mitarbeiter an ihrem Geburtstag frei haben. Das haben wir am 20. Juli ausgenutzt und sind ins „Cajon de Maipo“, ins Flussbett oder Tal des Maipo gefahren. Ganz weit oben in den Bergen lag dann auch noch dicker Schnee, den man ja sonst nur weit weg auf den Bergen sehen kann, wenn es mal geregnet hat.
Letzte Woche war ich in einem spannenden chilenischen Kinofilm („NO“) über die Entstehung eines Kampagnefilmes gegen die Verlängerung der Regierung Pinochets im Jahre 1988. Vor der Volksabstimmung konnten beide Seiten Werbefilme 15minütige Werbefilme senden. Sehr interessant ist es, dass die No-Kampagne mit Erkenntnissen der Werbeforschung arbeitete und auf ein fröhliche, bunte, positive und Stimmung machende Atmosphäre setzte. Der Trailer auf Spanisch: http://www.youtube.com/watch?v=L43ZTdVozLQ Ich vermute ganz stark, der Film auch in deutschen Programmkinos zu sehen sein wird.

Sonntag, 22. Juli 2012

Winterrüstzeit in San Sebastián




Vom 15. bis zum 17. Juli war ich auf meiner ersten Jugendrüstzeit. Aus Santiago kamen wenigstens 5 Jugendliche, aus der Gemeinde in Valparíso und Viña kamen noch ungefähr 11 dazu. Der Pfarrer aus Valparaíso und Viña Rudy Olivera, Miguel Núñez, Theologiestudent und sein Praktikant und ich hatten die Freizeit organisiert. Wir wollten den Jugendlichen Geschmack aufs Bibellesen machen, ein paar Hinweise zur Entstehung der Bibel und Tipps zum Lesen in die Hand geben. Zuerst war ich ein bisschen besorgt, wie wohl alles klappen wird und ich hatte Bedenken, dass ich mich nicht intensiv genug vorbereitet hatte, aber Rudy und Miguel haben mich Gelassenheit gelehrt. Die Jugendlichen waren sehr gut drauf, motiviert und immer hilfsbereit. Wir haben viel gesungen und ich konnte ne Menge christliche Lieder auf Spanisch lernen und die Begleitung mit der Gitarre üben. Wir haben den ersten Abend ein schönes Mahl in Anlehnung an das Passahfest gehalten, den zweiten Abend haben wir ein ausgiebiges Abendmahl gefeiert. Neben in In-puts und Gruppenarbeiten gab es noch ein Wer-wird-Millionärspiel mit Details aus der Bibel, einen Strandspaziergang und den Ratespielklassiker „Wer-bin-ich?“ mit natürlich: Personen aus der Bibel. Ich konnte von meinen Kollegen sehr viel didaktische Umsetzung lernen. Vor allem wie viel Wissen und welches Wissen und auf welche Weise es vermittelt werden kann und sollte.
Die Rüstzeit fand in einem sehr schönen kleinen Freizeitheim der Kirche am Meer statt. Die Kirche will dies aber verkaufen, weil es kaum genutzt wird und der Ort, wo es liegt, San Sebastián, angeblich nicht so schön ist.
Nach dieser Erfahrung freue ich mich schon sehr auf das Sommerlager im Januar, dann im Süden am Llanquihuesee in Puerto Fonck.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Die Erlassung eines Gesetzes


In einem kleinen Land, in einer kleinen Kirche zuarbeiten, kann dazu führen, dass man außergewöhnliche Einladungen erhält. Vielleicht wurde es in deutschen Nachrichten berichtet, ich hatte es schon einmal in einem Blogartikel erwähnt: Die chilenische Regierung hat ein Gesetz verabschiedet, was sich gegen diskriminierende Handlungen richtet. Sehr lange wurde darüber diskutiert, ob auch die Diskriminierung wegen sexueller Orientierung miteinbezogen wird. Nach einem langen Diskussionsprozess entschied man sich dafür. Ausschlaggebend war vor allem Tod einen homosexuellen Jugendlichen gewesen. Er war aufgrund seiner sexuellen Orientierung von Nazis brutal misshandelt wurden.
Letzte Woche, am 12.07.2012 fand die Erlassung des Gesetzes statt. Weil das Gesetz auch die verschiedenen Religionsgruppen betrifft, erhielt auch mein Mentor als Vertreter der lutherischen Kirche eine Einladung in den Präsidentenpalast. Er hatte allerdings keine Zeit und auch meine Kollegen nicht, also bin ich hingegangen. Obwohl ich mich vorher angemeldet hatte, konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass man  mich überhaupt in das Gebäude lässt. Aber ich stand, welch Wunder, tatsächlich auf der Gästeliste und fand auch den Saal, in dem die Veranstaltung statt finden sollte. In den Vorraum tretend erblickte ich den Kollegen und Präsidenten der anderen lutherischen Kirche (IELCH), welcher sich im letzten Jahr sehr engagiert hatte. Er machte mich gleich noch mit Vertretern anderer Gruppen bekannt. Ist schon mal ganz interessant, wenn man Menschen, die man sonst nur im Fernsehen sieht, auf einmal gegenüber steht oder nur ein paar Meter entfernt sieht. Der Präsident Chiles, Sebastián Piñera hielt noch eine Rede, welche natürlich auch Werbung für seine Regierung war.
Ich hoffe sehr, dass das Gesetz mehr Bewusstsein unter den chilenischen Bürgern schafft und Augen für die Welt des Anderen geöffnet werden, damit Unterschiede zum Nächsten als Bereicherung geschätzt werden, anstatt dass sie zur Ausgrenzung anstacheln.
Auch hoffe ich, dass das Gesetz nicht instrumentalisiert wird. Dies würde die Meinung der Kritiker bestätigen, die behaupten, dass nicht Betroffene Diskriminierungsfälle fingieren könnten. Ich bin gespannt, ob und wie das Gesetz im Zusammenleben hier in Chile wirken kann.

Der Blog geht weiter... und Bericht


Ich habe den kleinen Blog eine Weile vernachlässigt. Entweder lag das daran, dass vor und jetzt in der Ferienzeit wenig los war, so dass es nichts zu berichten gab oder es liegt jetzt daran, dass ich auf einmal doch recht viel zu tun habe. Es gibt mehrere Sachen zu berichten und die Blogs werden folgen!!!
Ich füge hier auch meinen ersten Bericht über das Vikariat ein. Darin gebe ich einen Überblick über die Bereiche, in denen ich mich bewege und bis jetzt Erfahrungen sammeln konnte. Einiges vom Bericht habe ich schon in den anderen Artikeln erwähnt.
 
Ein anderes Land, eine andere Kultur, andere Umgangsweise, eine andere Sprache, neue Aufgaben und Arbeitsweisen erwarteten mich mit dem Entschluss, zwei Jahre lang die pastorale Arbeit in einer lutherischen Kirchgemeinde in Santiago de Chile und in anderen Gemeinden kennenzulernen und mit zu gestalten.
Nun sind die ersten Monate des Einlebens, Einrichtens und Kennenlernens vergangen. Der heiße Sommer ist längst vorüber und feuchtes Wetter bestimmt die Tage. Ich konnte mir einen ersten Überblick über die Aktivitäten der Gemeinde, die Aufgaben, denen sich die Pfarrer ins Santiago widmen und der Situation der Lutheraner in Chile verschaffen.
Zum einen nehme ich an Treffen der Gesamtkirche und an Treffen mit der Schwesternkirche Evangelisch-Lutherische Kirche in Chile (IELCH) teil. Zum anderen besuche ich die verschiedenen Kreise und Gruppen der lutherischen Gemeinde in Santiago, hospitiere die Arbeit der Pfarrer und übernehme Aufgaben in und am Rand der Gemeinde.
Betreut werde ich vom Bischof der Lutherischen Kirche Chiles (ILCH) Siegfried Sander. Ich treffe mich mit ihm einmal in der Woche und bespreche alle meine Tätigkeiten und Erfahrungen als Vikarin in und außerhalb der Gemeinde. Wir reflektieren intensiv realisierte Aufgaben, planen Aktivitäten und tauschen uns über die Situation der Gemeinde, der Gemeindeglieder, der Politik, die chilenische Gesellschaft und die deutsch-chilenische Kultur aus. Themen bei diesen Gesprächen sind auch die Zukunft und die Vision der kleinen lutherischen Kirche und die Zusammenarbeit mit der Schwesternkirche IELCH.
Die ILCH hatte sich 1975 von der IELCH abgespalten. Die Mehrheit der Gemeindeglieder hatte deutsche Vorfahren und den Putsch 1973 und die Militärdiktatur eher begrüßt.
Darum hat die ILCH noch immer einen hohen Anteil an Gemeindemitgliedern, die deutschstämmig sind und der ökonomisch besser gestellten Schicht in Chile angehören. Besonders die ältere Generation spricht noch viel Deutsch. Doch in den letzten dreißig Jahren hat die Verständigung in der Landessprache Spanisch deutlich zugenommen. Auch die Herkunft der Gemeindemitglieder ist besonders in Santiago heterogener geworden. So finden in der Erlösergemeinde in Santiago zwar noch immer einmal in der Woche Gottesdienste in deutscher Sprache statt, aber die Mehrheit auf Spanisch. Dementsprechend kommen auch sehr unterschiedliche Gruppen in die angebotenen Gottesdienste. Zur Gemeinde gehören zwei Kirchgebäude. Die Gottesdienstbesucher haben zumeist ihr Stammgebäude und wechseln selten zwischen den Orten. Eine der Herausforderungen der Gemeinde ist die Integration der verschiedenen Gruppen und Interessen. Neben meinem Mentor Bischof Sander betreuen noch zwei weitere Pfarrer die Gemeinde, der Chilene Esteban Alfaro und der Schweizer Kurt Gysel, der auch noch Veranstaltungen auf Deutsch hält. Es ist ein großer Vorteil, dass mehrere Pfarrer in der Gemeinde arbeiten, so kann ich verschiedene Stile kennen lernen und viele Ideen sammeln.

Zu meinen wöchentlichen Aufgaben gehört die Jugendarbeit. Ich betreue die Treffen der Jugendgruppe und habe auf Anregung der älteren Jugendlichen eine Gruppe für junge Erwachsene gegründet, in der wir gemeinsam Bibeltexte lesen und besprechen. Die Jugendlichen trafen sich bisher jeden Samstag in Eigenverantwortung. Ich bin nun verantwortlich dafür, dass die Treffen regelmäßig stattfinden, die Themen gehalten und die Aktivitäten organisiert werden. Auch versuche ich die Gruppe in der Gemeinde bekannter zu machen, durch Ansagen im Gottesdienst und Erstellung von Flyern mit dem Programm etc. Einige der Themenabende habe ich gehalten. Die Themen für dieses Semester hatten die Jugendlichen selbst herausgesucht. Meistens stellt einer das Thema mit ein paar Fakten und Thesen vor und im Anschluss daran entwickelt sich eine Diskussion. Nicht immer fällt es mir leicht dem ganzen Diskussionsverlauf auf Spanisch zu verfolgen. Sehr gut finde ich es, dass bei den Diskussionen allein von den Jugendlichen verschiedene Sichtweisen und Argumente zu den Themen genannt werden. Bei den ethischen Themen (z.B. Homosexualität, Abtreibung, Umgang mit Massenmedien) wurde herausgestellt, wie schwierig es ist ein Urteil zu fällen. Außerdem haben wir einen Jugendgottesdienst zum Thema „Gottes Gegenwart in guten und in schlechten Zeiten“ vorbereitet und gehalten. Wir hatten den Gottesdienst bewusst anders gestaltet mit Kerzen, Anspiel, Agapemahl, anderer Musik, aber uns auch an traditionelle Elemente des Gottesdienstes angelehnt. Überrascht hat mich, dass auch einige ältere Gemeindemitglieder aus Neugier gekommen waren und sich sehr wohl gefühlt haben. Leider kommen nur wenige Jugendliche konstant zu den Veranstaltungen. Viele fühlen sich durch die Aufgaben in Schule und Universität sehr ausgelastet. Die große Hoffnung der Gruppe ist aber, dass sie dennoch wächst, wenn regelmäßig etwas stattfindet. Der Bibellesekreis ist auch noch recht klein, bereitet mir aber sehr viel Freude. Wir haben mit der Urgeschichte angefangen und nehmen uns so viel Zeit, wie wir brauchen. Mein Ziel ist es vor allem aufzuzeigen, wie viele verschiedene Themen und Interpretationsmöglichkeiten hinter den Texten stecken und dass die Texte uns jedes Mal neu begegnen. Dabei lasse ich auch Erkenntnisse der historisch-kritischen Exegese einfließen.
Im Juli wird es eine kurze Rüstzeit mit Jugendlichen aus der lutherischen Gemeinde geben, welche nicht weit weg von Santiago am Meer liegt. Der Pfarrer dieser Gemeinde und ich werden mit den Jugendlichen über das Thema: „Das Wort Gottes – heute in unserem Leben“ nachdenken. Wir wollen Informationen zum Verständnis und der Interpretation der biblischen Texte geben, aber auch Umgangsmethoden einüben. Ich bin sehr gespannt auf die Tage und hoffe, dass ich in didaktischer und organisatorischer Hinsicht dazulernen kann.
Jeder der Pfarrer hat eigene Konfirmandengruppen. Ich begleite meinen Mentor bei seiner Konfirmandenarbeit und vertrete ihn. Dadurch bekomme ich vor Augen geführt, wie man Konfirmandenunterricht gestalten und planen kann. Ich finde es sehr gut, dass  es hier üblich ist, den Konfirmandenunterricht in der neunten und zehnten Klasse zu besuchen. Die Jugendlichen sind recht aufmerksam, ruhiger und konzentrierter. Es ist eine große Herausforderung, die inhaltlichen Themen mit der Lebenswelt der Jugendlichen zu verbinden. Auch habe ich schon bei dem Konfirmandenunterricht meines chilenischen Kollegen hospitiert und ihn vertreten und konnte dadurch einen anderen Stil kennenlernen.
Sehr viel Freude bereitet mir auch die Hospitation eines Einführungskurses in die „lutherische Welt“ welchen ebenfalls mein Mentor hält. Neugierige und Interessierte aus der katholischen, aber auch evangelisch-freikirchlichen Kirchen kommen hier zusammen, um sich mit den Eigenschaften der lutherischen Kirche in Chile und der lutherischen Theologie vertraut zu machen. Die Erwachsenen haben viele Fragen und ein großes Interesse an den einzelnen Themen. Oftmals entsteht ein anregendes Gespräch. Auch in dieser Gruppe habe ich schon einige Einheiten übernommen. Das Interesse und die Auffassungsfähigkeit gehen soweit, dass ich beim letzten Treffen einige Grundgedanken protestantischer Theologen des 19. – 21. Jahrhunderts vorgestellt habe. Ich sehe das auch als die Möglichkeit mich im Spanischen auszudrücken und komplexere Sachverhalte in dieser Sprache zu verstehen und zu vermitteln. Der Kurs ermöglicht eine stärkere Integrierung der Spanisch sprechenden Gottesdienstbesucher und Menschen, die aufgrund ihres Interesses an der lutherischen Kirche die Gottesdienste besuchen.
Wenn es zeitlich klappt versuche ich Kontakt zu einer anderen kleinen selbständigen Gruppe zu halten. In dieser Gruppe treffen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft, um sich mit verschiedenen theologischen Themen auseinanderzusetzen.
Auch den Frauenkreis in deutscher Sprache besuche ich regelmäßig und begleite die Frauenrunde bei der Lektüre der Psalmen.
Die Kontakte zu diesen Gruppen sind für mich sehr wichtig, damit ich die einzelnen Gemeindemitglieder, ihre Situation, Interessen und Bedürfnisse besser kennenlernen kann und allmählich einen Überblick über die Gottesdienstteilnehmer bekomme. Daneben bietet die Mitarbeit in den Gruppen auch die Gelegenheit didaktische Erfahrungen zu machen. Leider habe ich noch nicht viel Material und Texte angesammelt und muss jede Einheit, die ich halte mit größerem Zeitaufwand vorbereiten. Vor allem die Suche nach den spanischen Begriffen und Übersetzungen nehmen Zeit in Anspruch, beschleunigen aber die Erweiterung meines Vokabulars.
Gemeindemitglieder treten mit Bitten um seelsorgerliche Besuche an die Pfarrer heran, die auch ich, wenn nicht ein bestimmter Pfarrer bevorzugt wird, realisiere. Solche Besuche bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit sich. Bei dem Besuch einer kranken Frau und der sich kümmernden Tochter war es sehr spannend für mich, dass die Seelsorgesuchenden sehr deutlich ihre Bedürfnisse ausgedrückt haben und es mir dadurch erleichtert haben, mich angemessen zu verhalten. Wichtig war auch die Erfahrung, dass nicht immer Inhalte, die mit Worten vermittelt werden, ausschlaggebend sind, als viel mehr die eigene Anwesenheit. Ein anderes Mal spielen dagegen die Worte eine sehr wichtig Rolle und intensiveren oder blockieren das Gespräch. Themen bei dem Besuch war die Krankheit, Kontrolle über den eigenen Körper abgeben müssen, dem anderen in seiner Würde und seinen Bedürfnissen gerecht werden, die Situation am Lebensende.
Einmal im Monat halte ich Gottesdienste. Die Herausforderung besteht dabei, dass immer ein spanischer und ein deutscher Gottesdienst vorbereitet werden muss. Das erste Mal hatte ich die Liturgie vorbereitet und gehalten. Zweimal habe ich auf Spanisch gepredigt. Nicht in der eigenen Muttersprache zu predigen ist natürlich nicht einfach. Vor allem die Suche nach treffenden Begriffen und Umschreibungen kostet Zeit.
Ab dem nächsten Semester werde ich Beerdigungen halten. Die Gemeinde hat eine sehr hohe Anzahl an Beerdigungen. Mit Siegfried Sander und den anderen Kollegen habe ich mich schon über ihre Erfahrungen und die Liturgie ausgetauscht. Wenn es zeitlich möglich ist, nehme ich an den Beerdigungsgottesdiensten teil. Auch das Halten von Traugottesdiensten und Taufen wird hinzukommen.
Viele der lutherischen Pfarrer geben auch Religionsunterricht, zumeist an den Deutschen Schulen.[1] Ende Mai und Anfang Juni hatte ich Gelegenheit einen der Pfarrer in der siebten und achten Klasse im Religionsunterricht zu vertreten. Der Kontakt mit den Jugendlichen hat mir viel Spaß gemacht. Es war sehr interessant für mich zu beobachten, dass es mit den Schülern der achten Klasse schon möglich war Geschichten mit sehr abstrakten Inhalten wie Himmelfahrt und Pfingsten zu besprechen, während dies mit der siebten Klasse noch recht schwierig war. Auch war die siebte Klasse (freitags letzte Stunde) sehr unruhig. Ich habe überlegt, wie ich die weiteren Stunden gestaltet hätte. Ich hätte wohl praktischere Themen gewählt und Spiele gemacht oder mehr Schreibarbeiten.

Die Erlösergemeinde ist mit dem Friedrich-Karle-Altersheim verbunden. Ich nehme einmal im Monat an den Sitzungen des Vorstandes des Altersheims teil und erfahre so über die Situation und Probleme dort und lerne ein wenig, was alles zur guten Organisation solch einer Institution dazu gehört. Außerdem habe ich mir vorgenommen, mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen.
Auch zu einem anderen Altersheim (Manquehue), in welchen viele Gemeindemitglieder leben, möchte ich Kontakte knüpfen und regelmäßig Besuche machen. Dort habe ich schon öfters ein bis zwei Gemeindemitglieder besucht.  Die Kontakte zu den Altersheimen geben mir die Gelegenheit, Erfahrungen im seelsorgerlichen Bereich zu sammeln.
Die Gemeinde hat Verbindungen zur Albert-Schweitzer-Schule, einer Grundschule in einem sozial und finanziell sehr benachteiligen Sektor Santiagos, welche als Projekt der Erlösergemeinde begann. Ein Gemeindemitglied ist Koordinatorin dieser Schule. Ich habe die Schule bis jetzt zwei Mal besucht. Die Schule hat ein sehr klares Ziel: Sie will nicht nur eine Schule für Kinder und Jugendliche mit schwieriger ökonomischer Situation sein, sie versucht auch Schüler zu integrieren, die aufgrund von Verhaltensschwierigkeiten schon in mehreren Bildungseinrichtungen gescheitert sind und ermöglicht ihnen, dass sie wenigstens ihre Schulausbildung bis zur achten Klasse vollenden. (Solch eine Schule ist im chilenischen Bildungssystem, in dem gute und Spezialschulen sehr teuer sind, unheimlich wichtig.) Einige der Kinder wiederholen Schulklassen und holen den Stoff auf, den sie vorher verpasst haben. Viele Schüler kommen aus einem schwierigen Elternhaus. Abgesehen von finanziellen Schwierigkeiten, sind einige schon mit Kriminalität, Gewalt und Drogenabhängigkeit konfrontiert. In der Albert-Schweitzer-Schule versuchen die Mitarbeiter in den Kindern Respekt und Liebe gegenüber sich selbst und dem Nächsten zu stiften. Zudem gibt es für die Kinder psychologische Betreuung und Einzelunterricht. Die Anzahl der Schüler beträgt nicht mehr als 25 pro Klasse, obwohl es in Chile bis zu 40 Kinder sein dürfen. Ich habe mir vorgenommen, die Schule einmal im Monat zu besuchen, um Kontakte zu den Lehrern zu knüpfen und den Unterricht in den Klassen zu hospitieren. Ich denke, dass dies sehr wichtig ist, um die verschiedenen Realitäten Santiagos nicht aus den Augen zu verlieren. Vielleicht ergeben sich durch den Kontakt mit den Lehrern auch Gespräche mit seelsorgerlichem Aspekt. Durch die Hospitation in den Klassen kann ich in pädagogischer und didaktischer Hinsicht einiges lernen. Außerdem hat die Direktorin die Gemeinde um Hilfe gebeten, ein mögliches Konzept für den Religionsunterricht auszuarbeiten, den die Klassenlehrer der Schüler selbst halten. Im Vergleich mit deutschen Lehrplänen bin ich dabei, Ideen zu sammeln.
Des Weiteren nehme ich an Treffen der Gemeindeaufbauarbeit teil. Wir haben uns vorgenommen, uns regelmäßig mit den Helferinnen und Helfern bei den Kindergottesdiensten zu treffen, um sie zu begleiten und ihre Arbeit besser zu organisieren. Da die Gemeinde zwei Standorte hat, ist dies nicht einfach. Der Besuch der jungen Familien nimmt gerade an dem Standort zu, wo es keine Gruppe ehrenamtlicher Helfer gibt und der Kindergottesdienst nicht mehr als eine Art Betreuung der Kinder ist. Aber auch die Helfergruppe am anderen Standort ist recht klein, so dass die Mitarbeiter nie selbst einmal in den Gottesdienst gehen können. Wir überlegen, wie wir Familien dazu anregen können, sich im Kindergottesdienst einzubringen.
Außerdem möchte mein Mentor die Lektoren- und Prädikantenarbeit stärken. Vor allem im Süden des Landes ist das nötig, weil es dort an dem Standort Puerto Montt keinen Pfarrer gibt. Zu einem ersten Treffen mit Interessierten bin ich im Mai mit meinem Mentor in den Süden gefahren und wir haben mit den Teilnehmern die Liturgie und ihre Bedeutung durchgesprochen und gemeinsam einen Gottesdienst geplant. Die Teilnehmer wurden dazu angeregt, in Zukunft selbst mit Hilfe des Gesangbuches einen Lektorengottesdienst zu gestalten. Hierbei hatte ich die Gelegenheit vor einer etwas kleineren Gemeinde zum ersten Mal auf Spanisch zu predigen. In Zukunft soll es weitere solcher Treffen geben, um den Einsatz der Freiwilligen zu fördern. In Santiago gibt es Lektoren im Gottesdienst. Wir wollen uns auch mit dieser Gruppe treffen, um deren Einsatz zu begleiten und zu überlegen, wie die Lektoren noch stärker in den Gottesdienst eingebunden werden können.
Des Weiteren wird gerade eine Webseite für die Gesamtorganisation ILCH aufgebaut. Hierfür pflege ich Kontakt mit den „Technikern“ der Seite und habe mit ihnen Ideen gesammelt und schreibe einige Texte. Wenn das Gerüst der Seite steht, möchte ich mir zeigen lassen, wie man eine Webseite mit Texten und Dokumente füllt und erneuert.
Ein weiterer Aufgabenbereich der Gemeinde ist die Informationsarbeit. So gibt es etwa Anfragen von Schulen. Demnächst werde ich für eine Schulklasse eine kleine Kirchenführung halten und Charakteristisches zur lutherischen Kirche erzählen.

Um über die Situation der Gemeinde, der Gesamtkirche und des Verhältnisses zur IELCH informiert zu sein und Kontakte zu den einzelnen Personen zu knüpfen, besuche ich als Beobachterin die Treffen des Kirchenvorstandes, der Synode, die Treffen der Pfarrer und des Rates beider Kirchen (CILCH Consejo de las Iglesias Luteranas en Chile). Zwei Treffen der Pfarrer und zwei Treffen der Synode habe ich bis jetzt erlebt. Hauptthema ist derzeit der Kirchentag, welcher im Oktober stattfinden soll. Der Initiator hat sich viel vorgenommen. Ziel soll es sein, dass nicht nur zwei bis drei Personen aus jeder Gemeinde zusammenkommen, sondern das ungefähr 10% der Gemeindemitglieder aus jeder Gemeinde die Veranstaltungen und Workshops an einem Wochenende besuchen. Ich werde einen Workshop zum Erlernen von Taizéliedern mit Taizéandacht anbieten, sowie einen Workshop zur Auseinandersetzung mit Frauen in der Bibel. Im CILCH möchte man den Posten eines Generalsekretärs ins Leben rufen, der die Annäherung der Kirchen weiter vorantreiben soll. Auch will man nach außen einheitlicher auftreten und nur noch eine Person entweder aus IELCH oder ILCH bei Veranstaltungen im Ausland entsenden.
Darüber hinaus versuche ich die Kontaktmöglichkeiten mit der IELCH wahrzunehmen. Es gab im April einen Kirchentag, den ich besucht habe. Ein sehr engagierter Theologiestudent, Miguel Núñez, hat mit anderen Freiwilligen in der Kapelle meines ehemaligen Praktikumsortes, die Schule Belen O’Higgins in La Florida, wieder pastorale Arbeit mit Andachten und Gottesdiensten aufgenommen. Betreut werden diese Tätigkeiten von der IELCH. Vor kurzem bin ich mit ihm dort hingefahren, um mir die Arbeit anzuschauen, dabei haben wir auch eine ältere Dame aus seinem Frauenkreis besucht. Durch den Austausch mit ihm kann ich viele Ideen für die praktische Arbeit sammeln. In einem anderen Brennpunkt-Viertel Santiagos habe ich eine kleine Gemeinde zum Gottesdienst und zu einer gemeinsamen Mahlzeit besucht. Im Juli werde ich in der Gemeinde meines ehemaligen Praktikumsortes, in der Versöhnungsgemeinde, einen Gottesdienst in Vertretung halten.

Das Vikariat in Santiago gibt mir die Möglichkeit, sehr viele verschiedene Bereiche über den üblichen Pfarralltag hinaus kennenzulernen. Zum Teil ist es nicht einfach auszuwählen, was ich weiter verfolge und was nicht. Auch das Interesse der anderen Gemeinden an einem Besuch von mir und der Gestaltung eines Gottesdienstes ist groß. Ich habe die Aktivitäten im ersten Jahr breiter gestreut, um mit verschiedenen Menschen in Kontakt zu kommen und unterschiedliche Arbeitsbereiche kennenzulernen. Bei der Auswahl der Aktivitäten habe ich viel Freiheit. Wichtig ist es für mich, einen Überblick über die die Einsatzmöglichkeiten zu bekommen und diesen dann auch zu behalten. Gern möchte ich noch stärker Kontakt mit Studenten knüpfen und mich mit der Integrationsarbeit der verschiedenen Gemeindemitglieder auseinandersetzen.


[1] Bis jetzt ist dies für jeden Pfarrer möglich, wenn er sich von der Kirche ein Eignungszertifikat erstellen lässt. Ab 2014 soll das nur noch mit einem Pädagogikstudium möglich sein. Ich möchte gerne noch Pädagogik in einem zweijährigem Ergänzungsstudium studieren. Dadurch wäre ich angehalten die praktischen Erfahrungen stärker theoretisch zu reflektieren. Außerdem würde ich didaktische Hinweise erhalten, die stärker auf die pädagogischen Herausforderungen in Chile bezogen sind. Doch scheint es mir, dass kaum noch solche Studiengänge angeboten werden, weil die Lehrerlaubnis auch für Religionsunterricht dann anscheinend nur noch gegeben wird, wenn man ein volles Pädagogikstudium von mindestens 8 Semestern absolviert hat. Ich bin aber noch im Erkundungsprozess und noch nicht ganz sicher, wie die neuen Bedingungen sind.