Mittwoch, 11. September 2013

Der chilenische 11 September



Heute ist der 11. September. In der Welt ist das nicht mehr irgendein Datum und erst recht nicht in Chile. Hier müssen sich in den Tageszeitungen die Bilder vom brennenden World Trade Center den Platz mit Bildern vom bombardierten chilenischen Präsidentenpalast „La Moneda teilen. Mit diesem Datum wird jüngste schmerzliche chilenische Geschichte verbunden. Leid, aber auch Erleichterungsgefühl, Entzweiung und Unfassbarkeit. 40 Jahre nach dem Militärputsch sind die Wunden noch immer nicht geheilt. Die Fernsehsender senden verschiedene spannende Dokumentarfilme mit Zeitzeugenberichten, nie gesehenen Videoaufnahmen und ausführlichen Fakten über die Ereignisse um den Militärputsch, die Zeit der Regierung Allende und die Menschenrechtsverletzungen und Organisierung des Widerstands in der Zeit der Militärregierung. Auch gibt es gut gemachte Fernsehfilme, welche verschiedene Ereignisse in den Blick nehmen. (Zum Beispiel Los Ecos en el desierto) In den Talkshows wird die jüngste Geschichte Chiles ebenso intensiv diskutiert und die Politiker, zumeist gespalten in links oder rechts, sind dazu aufgefordert Stellung zu diesen Ereignissen zu nehmen. Dabei fragen sie sich auch, wer, für was und in welcher Hinsicht um Vergebung für die vielen Menschenrechtsverletzungen bitten sollte.  
Noch immer gehen die Meinungen und Sichtweisen über die Ereignisse stark auseinander und die einen beschweren sich über die anderen, dass nur die eigene Vision wahrgenommen wird.
Für mich als Ausländerin, die zu dem noch aus einem Land kommt, in dem aufgrund der eigenen Geschichte sehr sensibel mit den Thema Menschenrechte umgegangen wird, ist es nicht leicht dies zu verstehen. Die Bilder und Fakten nehmen mich mit. Es macht schwermütig zu sehen, dass es noch sehr viel zu bewältigen gibt und aufeinander zugegangen werden muss. Und es macht noch trauriger, wenn man dann an die jüngsten Ereignisse in Syrien und vielen anderen Ländern denkt und es nicht fassen kann, dass das was in Chile passiert ist und langsam aufgearbeitet wird an so vielen Orten in der Welt geschehen ist und geschieht. Das, was ich als Fernsehzuschauerin als unnormal empfinde, wo ich denke, zum Glück lebe ich nicht mehr in dieser Zeit, findet an anderen Orten immer noch statt und ist fast schon Normalität.

Die gespaltene Meinung zum 11. September in Chile und die Anspannung ist vor allem auch daran zu spüren, dass die Hauptstadt Santiago fast jedes Jahr auf dem Kopf steht. Es werden Barrikaden, Unruhen, Brände, Proteste und Ausschreitungen erwartet. Diese beginnen schon ein Tag vorher. Bis jetzt berichten die Fernsehsender, dass in der Nacht „verhältnismäßig“ wenig passiert ist. Viele Menschen bleiben heute zu Hause oder dürfen ihren Arbeitsplatz eher verlassen. Auch einige Schulen und Universitäten bleiben geschlossen. Meine Universität liegt im Zentrum und hat alle Veranstaltung für gestern und heute abgesagt. Die Gefahr in Ausschreitungen zu geraten ist nicht gering, auch wird erwartet, dass es Störungen im öffentlichen Verkehr gibt.
Die Spaltung des Landes ging auch durch die Lutherische Kirche Chiles hindurch. Heute gibt es zum Glück Hoffnung, dass die Gemeinden aufeinander zugehen. Mittlerweile hat der Rat beider lutherischer Kirchen einen Generalsekretär, der sich intensiv für die Zusammenarbeit einsetzt. Der Rat beider Kirche wird gestärkt und in Zukunft sollen beide Kirchen gemeinsam nach außen vertreten werden. Dadurch können die inneren Strukturen beider Kirchen beigehalten werden und es kann den individuellen Bedürfnissen und Themen der einzelnen Gemeinden nachgekommen werden.
Ein wichtiger Schritt ist der Brief des Bischofs der Lutherischen Kirchen in Chile der sich mit der Stellung der Kirchen zu den Menschenrechten und dessen Verletzungen während der Militärregierung auseinandersetzt. Der aktuelle Bischof Siegfried Sander fragt, ob man nicht eingestehen und bekennen müsste, dass nach dem Militärputsch zahlreiche Menschenrechtsverletzungen geschehen sind und dass die Augen davor nicht geschlossen werden können, was nicht heißt, dass man über das Leid, was anderen vor dem Putsch geschah, hinwegsehen will. Siegfried Sander hofft auf einen offenen Dialog, in dem beide Seiten aufeinander zuhören können und die Vergebung Gottes betont wird.
Vielleicht können die lutherischen Kirchen mit einem guten Beispiel vorangehen?
Hier noch ein Beitrag im Deutschlandfunk mit einem Interview mit meinem Mentor, dem Bischof der lutherischen Kirche:http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/09/10/dlf_20130910_0944_7fdeed2c.mp3

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